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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Gerichtssaal passieren.«
    »Hubert! Ich bitte dich ein letztes Mal um unserer Freundschaft willen«, beschwor Frodeleit energisch.
    »Sagt der Angeklagte etwa die Wahrheit, Herr Frodeleit?«, fragte Bromscheidt spitz.
    »Die Wahrheit ist eine andere – und sie ist natürlich komplizierter, als sie Herr Löffke darstellt«, entgegnete der Richter.
    »Ich höre ganz neue Dinge über Sie«, staunte Bromscheidt. »Ich dachte, Sie seien über jeden Zweifel erhaben. Sie gelten als streng und unbestechlich, Herr Frodeleit. Nun steht der Vorwurf im Raum, dass Sie sich Ihre Karriere erkriechen. Wäre das nicht widerlich, wenn es der Wahrheit entspräche?«
    »Ich habe nie das Recht gebrochen, das versichere ich«, beharrte Frodeleit.
    »Sind Sie sicher?«, kam es über die Lautsprecher zurück.
    »Ja!«, bellte Frodeleit. »Absolut sicher. Es werden von Herrn Löffke Behauptungen in den Raum gestellt, die sich aus seiner Situation heraus erklären.«
    »Ihnen entgleitet doch nicht etwa der Prozess?«, fragte Bromscheidt.
    »Nein!«, schrie Frodeleit. Er schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Sie wissen, dass ich Löffke für schuldig halte«, beharrte Bromscheidt. »Aber er muss von einem Richter verurteilt werden, der untadelig ist. Wenn der Angeklagte den Beweis führt, dass sein Richter sich nicht dem Recht verpflichtet fühlt, platzt der Prozess gegen Löffke. Ich will kein Unrecht.«
    Löffke verstand. »Erzähl von dir, Achim«, forderte er. »Berichte davon, wie du dich abmühst, Referate auf Fachtagungen halten zu dürfen! Sprich davon, wie sehr du dich darin sonnst, mit deinem Wissen zu glänzen, wie sehr du es genießt, Urteile zu zitieren, die deine Zuhörer gar nicht kennen! Wie lange hast du dich darum bemüht, im Staatsexamen prüfen zu dürfen? Es ist dir eine Freude, die Kandidaten mit deinen Fragen zu quälen. Du magst es, wenn die weiblichen Prüflinge ihr Dekolleté zeigen. Du weißt, dass sie sich in diesem Moment prostituieren. Sie bieten sich an, betteln um deine Gunst. Sie kennen dich aus den Protokollen früherer Prüfungen. ›Frodeleit ist ein gemeiner Hund‹ stand in einem Protokoll. Du hast es vor Monaten in Rotweinlaune erzählt, hast dir sogar eine Kopie dieses Protokolls gefertigt. Es macht dich stolz, als Arschloch zu gelten. Erinnere dich, als du von der Kandidatin erzählt hast, von der du nichts anderes zu berichten wusstest, als dass sie pralle Brüste hatte. Du hast sie schnalzend durchfallen lassen, Achim! ›Frodeleit ist nicht gescheit‹ soll in einem Protokoll über dich gestanden haben.«
    »Ich habe mir meine Rolle nicht ausgesucht, Hubert«, schrie Frodeleit zurück. »Wir sind in einer Zwangslage, du weißt das selbst. Aber du weißt auch, dass wir deinetwegen hier sind. Steh zu deiner Verantwortung, wenn du etwas zu verantworten hast! Wir werden eine Lösung finden.«
    Löffke keuchte. Zwischen seinen Bartstoppeln glänzte der Schweiß. Er roch unangenehm, das Hemd hing aus der Hose. Stephan und Marie staunten über sein wortgewaltiges Plädoyer, in dem er seinen Freund angriff und darin einen Menschen kennzeichnete, dem er selbst in vielen Punkten ähnlich war. Löffke warf eine Freundschaft in den Ring, die keine war.
    »Reden Sie weiter!«, ermunterte Stephan seinen Mandanten.
    »Ich rechtfertige mich nicht«, wehrte Löffke ab. »Ich durchbreche dein Spiel, Achim.«
    »Sie müssen weiterreden«, wiederholte Stephan eindringlich.
    Löffke schüttelte den Kopf.
    »Fahren Sie endlich fort!«, forderte Bromscheidt. »Ich will ein zügiges Verfahren.«
    Frodeleit lauerte unruhig hinter dem großen Tisch. »Halte an dich!«, flüsterte er eindringlich.
    Stephan trat vor.
    »Ich bitte um eine Sitzungsunterbrechung«, sagte er. »Ich muss mich mit meinem Mandanten besprechen. Es gab bisher keine Gelegenheit, sich in den Fall einzuarbeiten und die Verteidigung vorzubereiten.«
    »Was soll das?«, fragte Bromscheidt irritiert.
    »Es ist das prozessuale Recht des Verteidigers«, erwiderte Frodeleit.
    Bromscheidt lachte höhnisch.
    »Ich nehme Sie beim Wort, Herr Bromscheidt«, antwortete Stephan ruhig. »Sie wollen Gerechtigkeit und ich versichere, dass ich mich um Gerechtigkeit bemühen werde.«
    Stephan blickte in die Kamera und wartete.
    »Noch was?«, fragte Bromscheidt.
    »Ich möchte mit meinem Mandanten allein reden können, also in einem Bereich, der nicht abgehört wird.«
    »Sie kennen die Örtlichkeiten«, antwortete Bromscheidt.
    »Das heißt, ich gehe mit Herrn Löffke

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