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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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berechender Faktor. Sie konnte dem Abend ebenso gut zum Erfolg verhelfen, wie sie in der Lage war, ihn scheitern zu lassen. Wurde er ein Misserfolg, entschuldigte sich Frodeleit meist für das Verhalten seiner Frau.
    »Nun geh schon!«, sagte Frodeleit zu Löffke, und es schien nicht anders, als müsse er einen störrischen Esel dazu bringen, sich nach vorn zu bewegen.
    Löffke tat wie befohlen, aber er verstand nicht, was um ihn herum geschah.
    »Achim?« Er blieb stehen.
    Frodeleit beugte sich über den großen Tisch, so wie im Gerichtssaal, wenn er sich vorlehnte, um über das Mikrofon einen vor dem Saal wartenden Zeugen hereinzubitten. Er hielt die Hände wie zum Gebet verschränkt. Er sah nackt und ungeschützt aus. Im Gerichtssaal standen vor ihm die juristischen Kommentare und das Gesetzbuch schützend auf dem Tisch.
    »Hubert«, antwortete Frodeleit.
    Er sah zu seinem Freund und blickte schnell in die Ecke, wo sich die Mikrofone und Lautsprecher befanden. Es war jetzt Bromscheidts Sache, zu erklären. Er wollte dieses Szenario, Frodeleit wollte es nicht. Doch der Lautsprecher schwieg.
    »Was ist denn passiert?«, fragte Löffke wie ein Kind, dem bewusst wird, etwas angestellt zu haben, ohne die Folgen seines Tuns erfassen zu können.
    »Ihr Freund Frodeleit eröffnet hier einen Prozess gegen Sie«, antwortete Marie, die in die Halle getreten war.
    »Einen Prozess?«
    Hubert Löffke wiederholte die Worte, während er irritiert auflachte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Frodeleit ernst damit war.
    »Wir sind Freunde, Herrgott, Achim.«
    Frodeleit sah vor sich auf den Tisch. Dieses alberne Herrgott! Löffke benutzte den Begriff immer dann, wenn er einer Aussage Nachdruck verleihen wollte, ohne dass er folgerichtig argumentieren konnte. Wie oft griff Hubert zu dröhnenden Floskeln!
    »Geh zu deinem Anwalt, Hubert«, forderte er, ohne aufzusehen.
    »Ich bin Anwalt, Achim, ich brauche keinen Anwalt.«
    Frodeleit blickte nervös zur Kamera.
    »Herr Bromscheidt, es ist Ihr Fall. Vielleicht sagen Sie etwas Einführendes.«
    »Aber so eröffnen Sie doch keinen Prozess, Herr Frodeleit«, kam es aus dem Lautsprecher zurück. »Es gibt Regularien, an die Sie sich halten müssen. Eröffnen Sie die Verhandlung so, wie Sie es immer tun!«
    Frodeleit bewegte sich unruhig auf seiner Bank. Er hätte gern die juristische Literatur vor sich gehabt. Wie sollte er Hubert Löffke erklären, was er zu tun hatte?
    »Hubert«, sagte er schließlich. »Vielleicht besprichst du dich zunächst mit deinem Anwalt.«
    Frodeleit nickte Stephan zu.
    »Anwalt? – Achim, du tickst nicht richtig.«
    Löffke schaute verständnislos nach vorn. Frodeleit überging die Worte und sah stur vor sich auf den Tisch. Es war die Pflicht des Anwalts, zu informieren.
    »Wir brauchen keine Pause«, rief Marie dazwischen. »Bitte, fangen Sie gleich an!«
    Frodeleit verstand, dass Marie den Überraschungseffekt nutzen wollte. Jedes einführende und erklärende Wort gegenüber Löffke hätte die Situation entspannt. Aber das war genau das, was Marie Schwarz nicht wollte. Sie kalkulierte mit der Konfrontation und riskierte die Eskalation. Nur Hubert Löffke wirkte verständnislos.
    »Also, fangen Sie bitte an!«, dröhnte Bromscheidt.
    Marie stellte sich wie ein Kommunionmädchen, das das Heilige Mahl empfangen sollte, hin und bedeutete Verena mit einer Geste, es ihr gleich zu tun.
    Löffke blickte irritiert auf Dörthe, die die Situation nicht zu deuten wusste. Marie fasste sie am Arm und zog sie zu sich. Stephan stand gerade und teilnahmslos. Es war die Körperhaltung, die er einnahm, wenn die Richter in den Saal traten, grüßten und baten, sich hinzusetzen. Es war ein Aufstehen, um sich wieder hinzusetzen. Die Augenblicke dazwischen waren ein nutzloses Harren. Löffke stand bei ihm, verwundert und verwirrt und zugleich in gewisser Weise eingeschüchtert.
    Frodeleit stand kerzengerade hinter seinem großen Tisch. Ihm fehlte die Robe. Der schwarze Stoff mit Samtbesatz kleidete nicht nur. Durch die Robe wurde er zum Richter. Jetzt, wo ihm dieses Requisit fehlte, fühlte er sich unvollkommen. Im Gerichtssaal trat er, aus dem Hinterzimmer kommend, hinter das Richterpult, blickte nach links auf den Staatsanwalt, dann nach rechts auf den Angeklagten und seinen Verteidiger, grüßte und bat alle, Platz zu nehmen.
    Dieses Ritual blieb ihm hier versagt. Es fehlte das Hinterzimmer, aus dem heraus er auf die Bühne treten konnte. Es fehlte die Robe, die aus ihm den

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