Tribunal
lässt es zu, wenn Sie Frodeleit beleidigen und seine Autorität in Zweifel ziehen. Ich glaube, dass er Frodeleit auf seine Art zur Strecke bringen will. Er zeichnet alles auf, was in der von ihm sogenannten Kathedrale geschieht. Er will der Öffentlichkeit dokumentieren können, dass Frodeleit ein Unrechtsurteil spricht. Selbst wenn er etwas gegen Sie in der Hand hätte, Herr Löffke: Er will diese Informationen nicht preisgeben. Er will, dass Frodeleit Sie in dem erzwungenen Schauprozess schuldig spricht.«
Löffke überlegte. »Aber welchen Sinn hat sein Handeln?«
»Das Mindeste ist, dass er Frodeleits Karriere zerstören will. Er weiß doch von dem bevorstehenden Aufstieg – und das mit Sicherheit nicht erst seit gestern.«
»Sie meinen, dass Bromscheidt mit Frodeleit eine Rechnung offen hat?«, fragte Löffke. »Aber wir wissen doch, dass Frodeleit ihn nicht kennt. Warum sollte er uns etwas Falsches erzählen?«
»Erkennen Sie jeden Mandanten wieder, der Ihnen Jahre später über den Weg läuft?«
»Ich glaube schon. Er würde mir zumindest bekannt vorkommen.«
»Dann müssten Sie auch den früheren Mandanten wiedererkennen, der sich hinter Paul Bromscheidt verbirgt.«
»Aber ich kenne ihn nicht, Knobel, wie oft soll ich das wiederholen?«
»Erinnern Sie sich, was Bromscheidt sagte, als Verena Frodeleit ihre sogenannte Anklage nicht begründen konnte?«
»Nein, Knobel, aber ich möchte in unserer Lage auch kein Ratespiel.«
»Bromscheidt sagte: Der Vorfall ist gerichtsbekannt. Und das kann sich in unserer Situation nur darauf beziehen, dass Frodeleit von dem Vorfall weiß, der in seinen Augen Parteiverrat darstellt und dessen er Sie bezichtigt.«
»Jetzt fangen Sie wieder mit den albernen Vorwürfen vermeintlicher Gebührenbetrügereien an. Das hatten wir doch schon.«
»Genau mit diesen Dingen kann Bromscheidt nichts anfangen«, widersprach Stephan. »Und deshalb geht er darauf auch nicht näher ein. Eigentlich sind diese Vorfälle, ob es sie nun gegeben hat oder nicht, für Bromscheidt nur eine Art Illustration dessen, was er Ihnen anlastet, Herr Löffke.«
»Sie sprechen in Rätseln, Herr Knobel.«
»Meine Überzeugung ist, dass Bromscheidt Sie beide kennt und mit jedem von Ihnen auf seine Art abrechnet. Sein zentrales Ziel ist Frodeleit, und er nähert sich ihm, indem er ihn auf Sie hetzt. Es ist ihm ziemlich egal, ob Sie mit Ihrer Frau in dem Stollen hungern und dursten oder nicht. Es gehört zu seinem Spiel, Sie beide leiden zu lassen. Frodeleit hingegen belohnt er, natürlich nicht, ohne seine Foltergeräte zu zeigen. Dann lässt er Lichtblitze zucken oder terrorisiert das Gehör bis zum Bersten oder stellt das Hungern in Aussicht.«
»Verstehen Sie nicht, was Stephan sagt?«, schaltete sich Marie ein. »Ihr vermeintlicher Parteiverrat kann doch nur gerichtsbekannt sein, wenn es sich um eine Gerichtsverhandlung handelt, an der Sie beteiligt waren, Herr Löffke. Ich glaube, dass Bromscheidt diese Formulierung ganz bewusst gewählt hat. Er weiß genau, was er will.«
»Also«, fuhr Stephan fort: »Gibt oder gab es Prozesse, in denen Frodeleit als Richter und Sie als Anwalt aufgetreten sind?«
»Jetzt doch schon Jahre nicht mehr«, meinte Dörthe. »Ihr lauft euch doch beruflich recht selten über den Weg.«
»Seitdem Achim beim Oberlandesgericht ist, kein einziges Mal«, sagte Löffke. »Er will alles vermeiden, was die Anrüchigkeit der Parteilichkeit haben könnte.«
»Und früher?«
»Gelegentlich schon. Gerade am Anfang, kurz nach dem Referendariat, sind wir uns häufiger begegnet. Achim war Amtsrichter in Dortmund und ich war häufiger in seinen Sitzungen Verteidiger.«
»Genau da sollten wir suchen, Herr Löffke.«
»Aber ich kenne Bromscheidt nicht«, versicherte Löffke. »Wie oft soll ich das wiederholen?«
»Wie genau haben Sie denn damals Ihre Mandanten betrachtet?«, wollte Marie wissen. »Oder wie genau haben Sie sich Paul Bromscheidt bei unserem gestrigen Treffen angesehen? Wissen Sie, wie er ausgesehen hat, als er noch volles Haar hatte? Wissen Sie, wie er vor zehn, 15 oder fast 20 Jahren ausgesehen hat?«
Löffke schwieg.
»Kam Ihnen die Stimme bekannt vor?«, fragte Marie weiter.
»Nein. Es gibt keine Auffälligkeiten in seiner Stimme«, antwortete Löffke.
»Also lässt es sich doch gar nicht ausschließen, dass er einmal Ihr Mandant gewesen sein könnte. Vielleicht war es nur eine kleine Sache, in der Sie mit ihm bei Frodeleit in der Verhandlung waren. Sie
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