Tricontium (German Edition)
zu gehen, bevor er uns seinerseits bemerkte … Wenn er uns nicht ohnehin bemerkt hat, bei einem Gespenst kann man nie wissen, nicht wahr? Und da man sagt, dass Geister rachsüchtig sind, und ich nicht wusste, wie gut er nach dem Krieg auf Kämpfer der Gegenseite zu sprechen sein würde, haben wir uns beeilt.« Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte nicht den Weg über die Hecke und dann zum Waldrand wählen sollen, doch auf die Dorfstraße hinauszulaufen, wäre noch törichter gewesen. Aber Asgrim und seinen Jägern, die aus dem Wald zurückkehrten, zu begegnen, war auch nicht gut, zumal der Fürst nicht viel erlegt hatte und dementsprechend missgestimmt war. So steht es.«
Wulfila schwieg. Bis auf ein zartes Pfeifen, das zu besagen hatte, dass Gjuki es in dem alten Mantel, in dem er sich zwischen Wulfins Händen vergraben hatte, warm und weich genug gefunden hatte, um einzuschlafen, und ein gelegentliches Rascheln im Stroh, in dem sich hoffentlich eher Mäuse und Ratten als böswillige Geister verbargen, war es still.
Ardeija betrachtete den Schlussstein des Gewölbes, der sich gerade über ihm befand und blasse Spuren einstiger Malerei zeigte. Vielleicht hatte man hier nicht immer nur Gefangene verwahrt, falls es denn nicht einer dieser Bedauernswerten selbst gewesen war, der dort einen Weg gesucht hatte, die Zeit totzuschlagen. Doch das spärliche Licht reichte nicht aus, um viel über das einstige Aussehen der Verzierung zu erraten, und Ardeija gab endlich die Beschäftigung damit auf. Wenn er noch weiter dort emporstarrte, würde er am Ende nur Gudhelms Gesicht in die Schatten hineinlesen. »Haben Asgrim und seine Leute das Gespenst auch gesehen?«
»Wenn ja, dann nicht zur gleichen Zeit wie wir. Als man uns zur Burg hinaufführte, war der Geist fort, und wäre er ihnen zuvor erschienen, wären sie doch wohl kaum ohne ein Wort darüber hinweggegangen. Erwähnt habe ich Gudhelm nicht; das hätte Asgrim allenfalls mehr erzürnt. Er ist kein Mann, den man mit etwas, das nach einer gewagten Ausrede klingt, zum Lachen bringen und zu mehr Nachsicht bewegen könnte.«
»Ich nehme an, darauf verstehst du dich sonst ganz gut?« Es hatte ein halber Scherz werden sollen, doch der Spuk, den Wulfilas Erzählung heraufbeschworen hatte, schien in den dunklen Winkeln zu lauern, und niemandem war recht danach zumute, zu lachen. Wäre ein geisterhafter Gudhelm, den purpurnen Mantel um die Schultern, aus einer der Wände hervorgetreten, hätte es Ardeija kaum verwundert.
»Man behilft sich, so gut man kann«, sagte Wulfila schließlich. »Aber wenn man gewissermaßen unter den Augen der örtlichen Gerichtsbarkeit stiehlt, lässt sich nicht mehr viel schönreden.«
»Immerhin lässt sich aus einem Kürbis nicht mehr als ein Kürbis machen«, erwiderte Ardeija und fand selbst, dass es nicht halb so aufmunternd klang, wie er beabsichtigt hatte. »Wenn ihr also morgen von hier fortkommt …« Er hielt inne. Die Bitte, die er auszusprechen gedachte, konnte er an jemanden, der einmal sein Freund gewesen war, wohl richten, doch nicht an einen gewöhnlichen Dieb.
»Was dann?« Wulfila hatte einen Arm um Wulfin gelegt, der das Kunststück fertigbrachte, näher an seinen Vater heranzurücken, ohne Gjuki, der nur kurz schläfrig ein Auge öffnete, sehr zu stören.
Ardeija überwand sich. »Dann könntest du, wenn es keinen zu großen Umweg bedeutet, Frau Herrad eine Nachricht von mir bringen. Sie muss schon in Tricontium sein oder wird zumindest vor dir dort ankommen. Von hier ist es nicht weit dorthin, kein ganzer Tagesmarsch, wenn man den Weg durch den Wald nimmt.«
Wulfila schwieg, und fast fürchtete Ardeija, er würde sich weigern, ihm den Gefallen zu tun.
»Du magst deine Vorbehalte Richtern gegenüber haben«, setzte er eilig hinzu, »und Frau Herrad die ihren Dieben gegenüber. Doch sie ist kein schlechter Mensch, und sie kann euch gewiss ein Bett für die Nacht verschaffen, oder auch für einige Nächte. Und wenn ich erst heil in Tricontium bin, sehen wir weiter.«
»Es muss mit mir weiter gekommen sein, als ich dachte, wenn du glaubst, mich bestechen zu müssen, damit ich dir helfe«, gab Wulfila zurück. »Was also soll ich Frau Herrad ausrichten, abgesehen davon, dass sie dich und deinen Drachen lebend hier finden wird, wenn sie sich nicht zu viel Zeit lässt?«
2. Kapitel: Porta Tricontii
Dort, wo die schlecht befestigte Straße aus dem Kranichwald auf den Geestrücken hinauf ins offene Land führte, befand sich
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