Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
den Blinker, um Richtung Jannowitzbrücke abzubiegen. »Was ich aber eigentlich meinte, ist, dass du … Verdammt!« Berger stieg auf die Bremse, weil vor ihnen ein Wagen aus einer Parklücke ausscherte.
Von dem überraschenden Manöver wurde Kalkbrenner in den Gurt gepresst. Er lockerte den straffen Bügel und wollte seinen Kollegen gerade bitten, vor der Imbissbude an der Alexanderstraße anzuhalten, doch Berger gab schon wieder Gas.
Stattdessen hörte Kalkbrenner die Mailbox seines Handys ab. Die erste Nachricht stammte von Berger, die zweite kam vom Pflegeheim: wann er endlich das Zimmer seiner Mutter auszuräumen gedachte.
Es kann ihnen nicht schnell genug gehen.
Am Alex ragte der Fernsehturm wie ein umgekehrter Eiszapfen in den frostig klaren Winterhimmel. Nur wenige Meter daneben schritt die Instandsetzung des
Hermano
,
einer berüchtigten Schickimicki-Kneipe, die im Herbst bei einem Brand zerstört worden war, zügig voran. Unter den Linden flankierte die glitzernde Weihnachtsbeleuchtung in den Bäumen den Weg der Kommissare bis zum Tatort.
Die Gegend um das Brandenburger Tor war für die Passanten gesperrt worden. Schutzpolizeibeamte riegelten den Pariser Platz weiträumig ab, neben einem halben Dutzend Einsatzfahrzeugen parkten bereits die Transporter des Tatort- und Erkennungsdienstes vom LKA, das für die Berliner Kriminalpolizei die Spurensicherung übernahm.
Vor den Absperrungen sammelten sich bereits Trauben von Touristen. Der Reichstag war einen Steinwurf entfernt, und auch das Betonungetüm der neuen amerikanischen Botschaft lag nur ein Stück weiter. Im
Adler
selbst stiegen ständig Pop- und Rockstars ab. Das immense Polizeiaufgebot machte Hoffnung auf lohnende Urlaubsmotive.
Den Gästen im
Adler
dagegen wurde ihr Aufenthalt im Luxushotel durch die Anwesenheit der Beamten gründlich verhagelt. Der Großteil von ihnen tummelte sich missgelaunt in der Lobby. Mit ihrem Marmorfußboden, den Erkern, Säulen und Emporen, den exotischen Pflanzen und dem Brunnen mit Elefantenstatuen glich die Halle eher einem Basar aus Tausendundeiner Nacht als dem Foyer eines mitteleuropäischen Hotels. Doch selbst das prunkvolle Ambiente vermochte die Stimmung in dieser Situation nicht zu heben.
Ein Polizist in Uniform trat auf Kalkbrenner zu. »Guten Abend.«
»Ah, Herr Gesing. Was liegt an?«
»Eine Leiche auf Zimmer 245, männlich, erschossen. Den Rest erfahren Sie von den Kollegen oben. Vorher sollten Sie aber noch mit Herrn Schauer reden.«
In dem Moment drängte sich ein schlanker Mann an Gesing vorbei. Sein braunes, grau meliertes Haar war kurz geschnitten, das kantige Gesicht perfekt rasiert, auf seinem Anzug war kein Stäubchen zu finden. »Sie sind hier die leitenden Beamten?«
»Genau. Und wer sind Sie?«, fragte Kalkbrenner.
»Das ist Herr Schauer«, fing Gesing an zu erklären. »Er ist …«
»Ich bin der Sicherheitschef«, nahm ihm Schauer die Worte aus dem Mund. Streng deutete er mit dem Kinn zur Straße. »Ist dieser Aufmarsch wirklich nötig?«
»Korrigieren Sie mich, wenn ich falschliege«, entgegnete Kalkbrenner ruhig, »aber ich glaube, die Polizei riegelt Ihr Hotel heute nicht zum ersten Mal ab, oder?«
Wie aus dem Nichts tauchte neben ihnen ein weiterer Mann auf, der ebenfalls tadellos frisiert und einwandfrei gekleidet war. »Guten Abend, mein Name ist Jakobs. Ich bin der Direktionsmanager. Und ja, Sie haben natürlich recht, es ist nicht das erste Mal, aber bis zum heutigen Tag gehörte ein Polizeiaufgebot lediglich zu den Sicherheitsmaßnahmen bei Besuchen von Staats- oder Regierungschefs.«
»Nun, heute gehört es zu den Ermittlungen in einem Mordfall, aber ansonsten gibt es fast keine Unterschiede.«
»Ja, ja, ein Mord. Das ist schon schlimm genug, aber dieser Aufmarsch dazu …« Jakobs rang mühevoll um Beherrschung. »Haben Sie eine Vorstellung, was dieses Tamtam für den Ruf unseres Hauses bedeutet? In aller Welt sind wir für unseren hohen Sicherheitsstandard bekannt. Und wenn sich unsere Gäste bei uns nicht mehr sicher fühlen können, dann …«, angesichts einer solchen Vorstellung fehlten ihm die Worte.
Dann ist es eben Zeit für einen neuen Sicherheitschef.
Im warmen Licht eines ausladenden, goldbehangenen Kronleuchters steuerten Kalkbrenner und Berger die Treppe an. In der zweiten Etage, inmitten marmorner Säulen, welche die Decke stützten, erwartete sie bereits eine junge Frau mit exotischem Teint, kurzen schwarzen Haaren, Jeans, Kapuzenshirt und brauner
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