Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
Zeit.
Durch den Plastikstrohhalm schlürfte er von seinem Velvet Cream. Als er sein Handy auf den Tresen gelegt und den Bildschirmschoner für das Display aktiviert hatte, materialisierte sich eine Furie neben ihm.
»Von wegen!«, fauchte sie und fuhr ihre blau-goldenen Krallen aus.
»Äh, was?«
Das Ungeheuer namens Renate knurrte. »Von wegen: ›Ich kann nicht tanzen.‹ So eine verdammte Lüge!«
Um etwas in der Hand zu haben, griff Sackowitz nach seinem Cocktail, doch das Glas war leer.
»Und wie du tanzen kannst!« Mit ihrem Blick schleuderte sie Sackowitz Höllenblitze entgegen. »Weiß das deine Frau?«
»Exfrau, bitte«, betonte er.
»Mistkerl!« Sie stampfte davon.
Magda, die gerade von den WCs zurückgekehrt war, starrte ihr mit großen Augen nach. »Wer war denn das?«
Sackowitz zuckte mit den Schultern und setzte einen Unschuldsblick auf. »Keine Ahnung. Sie wollte Feuer. Schlimm, diese Raucher. Und so aggressiv.«
»Das sah mir aber ganz danach aus, als hätte sie etwas anderes im Sinn gehabt.«
»Wirklich? Ist mir gar nicht aufgefallen.« Er gab dem Barkeeper ein Zeichen. »Aber wahrscheinlich muss man als Mann damit rechnen, wenn man«, zwei neue Cocktails wurden serviert, »den Ball Paradox im
Café Verdun
besucht.«
»Ja, gut möglich«, amüsierte sich Magda. Ihr Blick fand sein Handy. »Sie haben Kinder?«
»Einen Sohn und eine Tochter.«
»Und Ihr Sohn reitet, wie ich sehe?«
Der Bildschirmhintergrund des Mobiltelefons zeigte einen Teenager auf einem Pferd. »Ja, Till ist der größte Pferdenarr von ganz Berlin.«
»Was für ein Zufall«, freute sich Magda. »Ich reite auch. Früher habe ich sogar an Turnieren teilgenommen.«
»Meine Herren, das ist jetzt aber wirklich ein Zufall! Mein Sohn reitet Dressurturniere. Am kommenden Freitag ist das nächste in Tegel.«
»Und was reitet er für ein Pferd?«
»Einen Hanflinger?«
Magda lachte. Es wirkte natürlich. »Sie meinen wohl Haflinger?«
»Natürlich, wie dumm von mir.« Er schlug sich tadelnd gegen seine Stirn. »Und Sie?«
Magda redete von Rappen, Füchsen, Stuten und Wallachen, und je mehr sie ins Erzählen kam, umso stiller wurde Sackowitz. Bald schon ging ihm auf, dass er sich nur unzureichend von seinem Sohn über Pferde hatte aufklären lassen. Als ebenbürtiger Gesprächspartner für Magda kam er mit seinem Wissensstand nicht in Frage. Zum Glück schien sie seine Verlegenheit nicht zu bemerken. Das Thema und natürlich der Alkohol im Angel’s Face lösten ihre Zunge, und Sackowitz verlegte sich darauf, ab und an eine interessierte Frage einzustreuen, die ihren Gesprächsfluss nicht versiegen ließ.
»Also hatten Sie auch beruflich mit Pferden zu tun?«, wollte er irgendwann wissen.
»Nein, leider überhaupt nicht.«
»Das hätte mich aber nicht verwundert.«
»Beruflich war ich mit ganz anderen Dingen beschäftigt.«
»Jetzt bin ich aber gespannt!«
»Mit Politik.«
»Ah«, machte er und dehnte dabei den Vokal. »Politik.«
»Sehen Sie, ich wusste es.« Enttäuscht verzog Magda den Mund. »Politik interessiert Sie herzlich wenig.«
»Nein, ganz im Gegenteil«, versicherte ihr Sackowitz sofort. »Das Thema interessiert mich sogar sehr.«
»Ach, das sagen Sie doch nur, weil Sie«, trotzig suchten ihre Lippen nach dem Strohhalm, »na ja, weil Sie mich rumkriegen möchten.«
»Wie können Sie das nur von mir denken? Hören Sie zu, ich beweise es Ihnen. Fragen Sie mich, was Sie wollen – und ich gebe Ihnen eine Antwort.«
»Sind Sie in Politik bewanderter als im Pferdesport?«
»Ganz sicher.«
»Dann verraten Sie mir, wer unser Regierender Bürgermeister ist.«
»Anton Heiland.«
»Na gut, das war aber auch einfach. Und wer ist Innensenator von Berlin?«
Sackowitz gab vor zu überlegen. »Dr. Frieder von Hirschfeldt.«
»Nicht schlecht, aber mal sehen, ob Sie auch diese Frage beantworten können: Wie viele Mitglieder hat das Berliner Abgeordnetenhaus?«
Er tat, als überschlage er einige Zahlen. »Mindestens einhundertdreißig«, sagte er dann. Der Anteil der über Listen gewählten Abgeordneten konnte sich durch Überhang- und Ausgleichsmandate erhöhen, aber das sparte er sich. Er wollte nicht zu dick auftragen
.
Magda zog anerkennend und erstaunt die Augenbrauen hoch. Ganz bestimmt lernte sie im
Café Verdun
nicht häufig Männer kennen, die sich für Politik interessierten. Vermutlich gab es überhaupt nur wenige Personen des anderen Geschlechts, die ihr Aufmerksamkeit schenkten. Magda war weiß
Weitere Kostenlose Bücher