Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
ausliefern wollen? Nein, dann hätte er seine eigene Verwicklung in die Sache gestehen müssen.
Und diese Enthüllung fürchtete er so sehr
,
dass er im Selbstmord den einzigen Ausweg für sich sah.
Sein Freitod wiederum bedeutete eine potenzielle Gefahr für die anderen Kinderschänder.
Es durften keine unangenehmen Fragen gestellt werden.
Deshalb also hatten sie die wahre Todesursache vertuscht. Deshalb hatte auch Radomski sterben müssen: damit er die Wahrheit nicht ans Licht brachte.
Blieb nur noch eine letzte ungeklärte Frage: Wie passte der Mord an Rudolph Fielmeister dazu? Dass der Unternehmer an diesen Schweinereien beteiligt gewesen war, stand für Sackowitz außer Frage, aber warum hatte er sterben müssen? Hatte auch er den Mörder gekannt? Wollte er vielleicht aussteigen oder gar an die Presse gehen?
Aber da war noch etwas anderes, das Sackowitz beschäftigte, das er allerdings noch nicht in Worte fassen konnte. Er blätterte seine restlichen Unterlagen durch, Seite für Seite, hektischer, immer schneller. Doch vergeblich: Seine Aufzeichnungen gaben nichts Neues her. Er verstaute sie in den Kartons.
»Wenn man dich so anschaut, könnte man meinen, du würdest etwas suchen!« Heiko Richter tauchte neben ihm auf. Er grinste traurig. »Und ich glaube, ich habe das, wonach du suchst.«
146
»Hast du ein Problem?«, knurrte Miro.
Tabori wandte allen Mut auf, der noch in ihm steckte. »Nein!«
»Dann verpiss dich.«
Plötzlich war da Miros Faust vor seinem Gesicht. Tabori duckte sich erschrocken, aber Miro grinste nur hinterhältig und trat ins Freie. Einige Sekunden später folgte ihm Tabori. Er zitterte, und sein Magen knurrte. Waren Kälte und Hunger daran schuld? Oder war etwas ganz anderes der Grund dafür? Er flüchtete Richtung Bahnhofsmission.
Unweit der Bahnüberführung blieb er stehen und beobachtete wieder die Jugendlichen. Sie flachsten und balgten ausgelassen herum. Erneut stieg der Neid in Tabori hoch. Auch er wollte mit Freunden herumalbern.
Die Jungen trugen schwere Lederjacken und massive Goldketten. Miro stand in ihrer Mitte und lachte. Schließlich hatte er auch allen Grund dazu. Er hatte Geld verdient. Unglaublich viel Geld. Auf ihn war Tabori am meisten wütend.
Erneut gesellte sich ein Mann zu ihnen. Obwohl er in seinem feinen Anzug nicht den Eindruck erweckte, als würde er sich üblicherweise mit Straßenjungen abgeben, sprach er mit einem von Miros Freunden. Wenige Augenblicke später stiegen sie gemeinsam in eine große schwarze Limousine, die nicht weit entfernt am Straßenrand parkte. Kaum fuhr der Wagen an, begannen die anderen Jungs zu scherzen.
»Sie haben gute Laune.« Ein Mann hatte sich neben Tabori gestellt. Auch er war schick gekleidet, aber die Kapuze seiner Jacke verdeckte fast das ganze Gesicht.
Ich kenne ihn!
, war Taboris erster Gedanke. Aber ihm wollte nicht einfallen, wo er ihn schon einmal gesehen hatte.
»Warum gehst du nicht rüber zu ihnen?«, fragte der Mann.
»Mag nicht.«
»Haben sie was gegen dich?«
Das sind unsere Typen.
»Weiß nicht.«
»Du bist doch ein netter Junge.«
Tabori zog seine Jacke enger um seinen Körper.
»Ist dir kalt? Wenn du willst, kannst du dich bei mir aufwärmen.«
Tabori wich dem Blick des Mannes aus, der den seinen suchte.
»Und etwas Geld verdienen.« Der Mann zeigte auf einen Jeep, der unweit auf einem der Parkplätze stand. »Wenn du willst, dann fahren wir.«
Tabori rührte sich nicht von der Stelle.
»Wie heißt du?«
»Tabori.«
»Du darfst mich Erich nennen. Also, willst du?«
»Was?«
»Geld verdienen.«
Tabori guckte zur Bahnhofsmission.
»Wir müssen nur ein kleines Stück mit dem Auto fahren«, sagte Erich.
Miro und die Jungen auf der anderen Straßenseite alberten herum. Sie lachten. Es ging ihnen nicht schlecht. Sie hatten Spaß.
Eigentlich ist es schön.
Und sie verdienten sogar Geld.
Ganz viel in wenig Zeit.
Erich war zu seinem Wagen gelaufen und hielt nun einladend die Tür auf. »Steig ein, Tabori.«
147
»Der Kommissar«, stellte Werner Wolfsbach fest und schob mit einem feinsinnigen Lächeln seine Nickelbrille den Nasenrücken hinauf. »Und heute sogar mit Verstärkung.«
»Wir müssen mit Ihnen reden.« Kalkbrenner war nicht zum Scherzen aufgelegt.
»Hab mir schon gedacht, dass Sie nicht lockerlassen. Ist okay. Ich wollte mich ohnehin bei Ihnen melden.«
»Haben Sie etwas herausgefunden?«
Der Sozialarbeiter warf einen prüfenden Blick über die Schulter des Beamten. »Na los,
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