Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
Vom Netzwerk:
Personenbeschreibung und ein Foto Ihres Sohnes haben wir ja bereits.«
    »Und was machen Sie damit?«, wollte Alan wissen.
    »Damit wird eine Ermittlungsgruppe die Suche nach Ihrem Sohn aufnehmen.«
    »Und was können wir tun?«
    »Sie fahren jetzt nach Hause und beruhigen sich, soweit es geht. Dann überlegen Sie, ob es nicht doch noch einen Ort oder eine Person gibt, den oder die Ihr Sohn hätte aufsuchen können. Wenn Ihnen etwas einfällt, setzen Sie sich sofort mit uns in Verbindung. Ansonsten wird sich mein Kollege, der Leiter der Ermittlungsgruppe, bald bei Ihnen melden.«

66
    »So, und was mache ich jetzt mit dir?« Der Mann, dessen Finger sich in den Kragen von Taboris Jacke krallten, sprach viel zu schnell, als dass er ihn hätte verstehen können. »Was mache ich mit dir?«
    »Polizei?«, flüsterte Tabori ängstlich.
    »Ganz genau, wir rufen die Polizei.«
    »Nein!«
    »Doch, der Verkäufer wird die Polizei rufen.«
    »Hab … Hunger.«
    »Trotzdem darfst du nicht klauen.«
    »Kein Geld.«
    Der Besitzer des Ladens nahte mit wehendem Kittel. Er hatte eine Glatze, einen mächtigen Schnauzbart und war einen halben Kopf größer als der Mann, der Tabori beim Klauen erwischt hatte. Unter den grimmigen Blicken der beiden Erwachsenen schrumpfte Tabori zusammen. Er malte sich aus, wie seine Mutter reagieren würde, wenn sie erfuhr, dass er nun doch zu einem Dieb geworden war. Einem Verbrecher. Sie würde enttäuscht sein. Genauso wie Florim und Gentiana.
Pass auf dich auf
,
hatte Gentiana ihn gebeten. Und jetzt das!
    »Was hat er gestohlen?«, fragte der Händler.
    »Zeig das Obst!«, forderte ihn der Mann auf.
    Tabori wollte die Früchte zurück in die Regale legen, aber dann wurde er zurückgehalten.
    »Warte!«, sagte der Mann und drehte sich zu dem Händler um. »Ich bezahle.«
    Der Ladenbesitzer sah Tabori an, als würde er eine Reaktion erwarten, aber der Junge war wie gelähmt vor Furcht, Reue – und Überraschung. Weil Tabori nicht reagierte, zuckte der Händler gleichgültig mit den Schultern und nahm das Geld von dem Mann entgegen. Er steckte es in die linke Tasche seines Kittels, dann zählte er das Wechselgeld aus der rechten ab. Anschließend kümmerte er sich um die übrigen Kunden seines Ladens, als sei nichts geschehen.
    Tabori reichte dem Mann verschämt das Obst.
    »Nein, das gehört dir«, sagte dieser.
    »Du … bezahlen?« Tabori verstand nicht.
    »Ja, richtig, ich habe für dich bezahlt.«
    »Warum?«
    »Weil du Hunger hast. Darum.«
    War das die wirkliche Erklärung für die wundersame Hilfsbereitschaft? Oder war der Mann etwa doch …?
    »Nein, keine Angst«, beruhigte er ihn, als habe er seine Gedanken gelesen. »Ich bin nicht von der Polizei.«
    Aber so leicht ließen sich Taboris Zweifel nicht ausräumen.
    »Ich habe keinen Polizeiausweis«, der Mann kehrte das Futter seiner Taschen nach außen, »und auch keine Pistole. Leider.« Er lächelte, raffte die Mantelschöße und drehte sich einmal um sich selbst. Sein Mantel blähte sich auf wie ein Ballettkleid. Nein, so albern benahm sich kein Polizist.
    Die Panik fiel langsam von Tabori ab. Sein erschöpfter Körper entspannte sich, und er drohte zu fallen. Gerade noch rechtzeitig war der Mann zur Stelle. »Geht es dir gut?«
    Dankbar lehnte sich Tabori gegen seinen Arm.
    »Dir ist kalt.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
    Tabori bückte sich nach dem Apfel, der seiner Hand entglitten war.
    »Lass das Obst!«
    »Aber ich essen!«
    »Ja, aber du brauchst etwas anderes!« Der Mann legte seinen Arm um Taboris Schultern und führte ihn über die Straße, direkt zum Restaurant mit dem großen M, das Tabori bereits kannte
.
    Der Junge schüttelte vehement den Kopf. »Nein, kein Geld.«
    Ohne auf seine Worte zu achten, schob der Mann ihn in das Restaurant, in dem es nach fleischigen Burgern und fettigen Pommes duftete. Noch angenehmer aber war die behagliche Wärme, die Tabori plötzlich umfing.
    »Wie heißt du?«, fragte der Mann.
    »Tabori.«
    »Und ich bin Ludwig. Also, Tabori, was willst du?« Er formte mit der Hand eine Art Schüssel, die er an den Mund hob. »Kakao? Tee? Kaffee? Du musst etwas Warmes trinken.«
    »Warmes?«
    »Du brauchst Kraft.« Einem Gorilla gleich trommelte sich Ludwig auf die Brust.
    »Kraft«, wiederholte Tabori.
    Ludwig schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. »Also, was willst du?«
    »Heiß, bitte.«
    »Was, heiß?«
    »Heißer Kakao?«
    Ludwig salutierte grinsend. »Ein heißer Kakao, zu

Weitere Kostenlose Bücher