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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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gewesen. Außerdem, rief er sich in Erinnerung, hatte er daheim ja auch die Kleider von Mickael aufgetragen.
    Ludwig tätschelte die Matratze. »Willst du schlafen?« Er griff das Gamepad der PlayStation. »Oder lieber etwas spielen?«
    Es war verlockend, doch ehe Tabori antworten konnte, hatte Ludwig schon eine neue Idee. »Nein, ich weiß etwas viel Besseres.« Er nahm die Gitarre. »Ich möchte dich jetzt unbedingt spielen hören.«

80
    »Und? Hat er gestanden?« Mit ungeduldiger Geste deutete Dr. Salm auf die Stühle vor seinem Schreibtisch. Kalkbrenner sollte sich gefälligst setzen.
    »Ja und nein.«
    »Was ist das denn für eine Antwort?«
    Die lange Wartezeit am Flughafen Schiphol hatte Kalkbrenner erschöpft. Als der Flieger aus Amsterdam endlich in Tegel gelandet war, hatte er nur einen Wunsch verspürt: schnurstracks heimzufahren. Doch er hatte bereits geahnt, dass der Dezernatsleiter ihren Bericht erwartete. Und zwar sofort.
    Kalkbrenner nahm auf dem Schwingstuhl Platz. Wenig überraschend gab dieser keinen Ton von sich. Anders als die Zimmer und Möbel der Mordkommission hatte das Büro des Dezernatsleiters in der vierten Etage die Wende nicht überlebt und war inzwischen mit frischer Tapete und sauberer Auslegware herausgeputzt worden. Auch die neuen Möbel zeugten von erlesenem Geschmack. Es war, als befände man sich in einer anderen Welt. Dennoch: Wann immer Kalkbrenner dieses Büro betrat, fühlte er sich unwohl und irgendwie fehl am Platz. »Herr Peglar gibt die Gammelfleischgeschäfte zu. Er ist bereit, gegen die Hintermänner auszusagen, die er zugleich für den Mord an seinem Bruder verantwortlich macht. Dafür …«
    »… will er einen Deal?«, beendete Dr. Salm den Satz und lachte auf. »Auf keinen Fall!«
    Kalkbrenner schaute überrascht auf. So viel Integrität hatte er dem Dezernatsleiter gar nicht zugetraut. Dieser knipste die Schreibtischlampe an, als sich draußen der Abend immer tiefer über die Stadt senkte. »Oder gibt es einen triftigen Grund, Peglars Version Glauben zu schenken?« Interessiert beugte sich Dr. Salm über seinem Schreibtisch vor.
    Für Kalkbrenner gab es jedenfalls tausend triftige Gründe, es
nicht
zu tun.
Du verspürst den Wunsch nach Rache. Sie trübt dein Urteilsvermögen.
Er schwieg.
    Der Dezernatsleiter nickte zufrieden und reichte Kalkbrenner eine Akte. »Hier. Lesen Sie.«
    Es war der Abschlussbericht der Spurensicherung zum Tatort im Hotel
Adler
. Neben denen, die von Marten Peglar hinterlassen worden waren, hatte Dr. Boddes Team noch eine Menge anderer unterschiedlicher Spuren auf Zimmer 245 sichergestellt. Unter anderem Hautcreme und Puder an der Kommode, Haare auf Stuhl und Bett sowie im Bad, Schuhabdrücke, Faseranhaftungen und Hautpartikel auf dem Teppich – all das, was man in einem durchschnittlichen Hotelzimmer so fand. Allerdings ließ sich damit keine Verbindung zum Tod von Rudolph Fielmeister herleiten. Außerdem hatte die Spurensicherung fast fünfzig latente Fingerabdrücke im Zimmer und weitere zehn an der Tür gefunden. Viele davon waren durch andere überlagert oder unvollständig. Die, die ausgeprägt genug waren, um sie identifizieren zu können, hatten sie durch die Datenbank laufen lassen, aber die Ergebnisse waren entweder negativ, oder die Leute, denen die Fingerabdrücke zugeordnet worden waren, standen in keinerlei Zusammenhang mit Rudolph Fielmeister. Kurzum: Es gab keinen Hinweis auf einen möglichen anderen Täter.
    Dr. Salm lächelte. »Ich habe bereits mit dem Staatsanwalt gesprochen. Er wird Anklage erheben, sobald Peglar nach Deutschland überstellt worden ist. Seine Auslieferung ist bereits beantragt.« Er griff zum Telefon, ein untrügliches Zeichen, dass das Gespräch beendet war. »Ich habe Ihnen ja gesagt, was auf dem Spiel steht. Die Sache muss zügig vom Tisch.«
    Für einige Minuten hatte Kalkbrenner beinahe vergessen, dass die Integrität Dr. Salms eigentlich immer einen Haken besaß. Der Dezernatsleiter war ein selbstverliebter Bürokrat, der sich zuallererst um seine Karriere und seinen Ruf sorgte. War sein Vorgesetzter damit allerdings so viel schlechter als er, Kalkbrenner, der Peglar vor allem deshalb in der Zelle sitzen sehen wollte, weil er auf …
Rache …
aus war? Andererseits waren die Spuren im Fall Fielmeister auch objektiv eindeutig, der Fall war so gut wie abgeschlossen. Demonstrativ klappte er die Akte zu.
    Seltsamerweise fühlte er weder Erleichterung noch Befriedigung, als er den Raum zum

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