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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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erschrocken.
    »Nein, nicht aufhören.«
    Tabori schüttelte verschüchtert den Kopf.
    Ludwig reichte ihm eine Tasse Kakao. »Möchtest du trinken?«
    »Bitte, ja.«
    Dankbar nippte Tabori an dem heißen Getränk. Mit der freien Hand fuhr er durch die Teppichfasern. Er genoss das flauschige Prickeln zwischen den Fingern. Fritz’ Zimmer war gemütlich, ganz anders als sein Raum in Gracen und erst recht als die Baustellenkammer. Tabori konnte sich immer noch nicht vorstellen, warum Ludwigs Sohn nicht gerne herkam. Wenn Tabori so ein Zimmer besäße, würde er sich nirgendwo anders mehr aufhalten. Er gähnte.
    »Möchtest du schlafen?«
    Tabori schaute fragend an sich herab.
    »Ja, stimmt. Du solltest dich waschen. Verstehst du das?« Ludwig tat so, als würde er seinen Körper einseifen. »Waschen.«
    Das Badezimmer war mit weißen Fliesen ausgelegt und glänzte, als hätte es erst vor wenigen Minuten jemand geputzt. Ludwig legte ein Handtuch auf einen Hocker, erklärte die Bedienung der Armaturen und ließ ihn alleine.
    Tabori schämte sich, als er sein Gesicht im Spiegel betrachtete. Das Haar war nicht so lang wie das von Aidan, aber es stand ihm genauso wirr vom Kopf ab. In einem Mundwinkel klebte noch ein Rest Ketchup. Wenigstens war die Beule an seiner Wange nicht mehr zu sehen.
    Er entkleidete sich und suchte einen Platz, wo er seine schmutzige Wäsche hinlegen konnte. Da er nichts dreckig machen wollte, ließ er sie schließlich auf die Fliesen fallen. Dann stieg er in die Badewanne, die zugleich als Dusche diente, und hielt, während er den Wasserhahn aufdrehte, den Schlauch über seinen Kopf. Das kalte Wasser ließ ihn vor Schreck aufschreien. Japsend öffnete er den anderen Hahn und wartete, bis endlich warmes Wasser auf ihn niederprasselte. Es fühlte sich prächtig an, und Tabori begann, sich zu entspannen.
    Das Gefühl verging schlagartig, als Ludwig das Badezimmer betrat. Hastig und mit hochrotem Kopf bedeckte Tabori seine Blöße.
    »Ich wollte dir nur frische Kleidung bringen, für später.« Ludwig breitete Hosen und mehrere Shirts auf der Waschmaschine aus, dann betrachtete er Tabori abschätzend von Kopf bis Fuß. »Ja, das müsste deine Größe sein.«
    »Danke«, stammelte Tabori.
    »Ich hoffe, es passt.«
    »Danke, ja.«
    »Probiere es einfach an.«
    »Ja, ja.«
    »Und wenn es nicht … Was ist mit dir?«
    Tabori verkrampfte sich noch stärker.
    »Oh, entschuldige. Es ist dir unangenehm, dass ich dich so sehe? Das tut mir leid. Ich dachte eigentlich, du bist schon ein großer Junge.« Kopfschüttelnd verließ Ludwig das Badezimmer.
    Während Tabori sich einseifte, kam ihm sein Verhalten im Nachhinein kindisch vor. Es gab keinen Grund, sich vor Ludwig zu schämen. Selbst Gentiana hatte ihn schon einige Male nackt gesehen, zum Beispiel damals im Sommer, als sie in dem kleinen See am Skanderberg schwimmen gewesen waren.
    Er schrubbte seinen Körper, bis er glaubte, die Haut würde sich ablösen. Seit Tagen fühlte er sich das erste Mal wieder richtig sauber. Auch die Müdigkeit war verflogen. Er drehte das Wasser ab, stieg aus der Wanne und griff nach dem Handtuch.
    Jetzt, wo er noch mal über die Sache mit der Gitarre nachdachte, kam er sich nicht nur kindisch, sondern richtig albern vor. Wie wollte er Musiker werden, wenn er sich nicht einmal traute, vor Ludwig zu spielen? Er würde ganz sicher nicht über ihn lachen. Ludwig war nett. Außerdem hatte er sich selbst gerade vor ihm, Tabori, entsetzlich beim Musikmachen blamiert.
    Tabori wählte eine Jogginghose aus, die ihm mindestens eine Nummer zu groß war, und ein dazu passendes T-Shirt von Nike,
das ihm zu klein war. Er wollte sich nach seiner alten Kleidung bücken, aber die hatte Ludwig anscheinend schon weggenommen. Er trat auf den Flur. Der Teppich unter seinen nackten Füßen war angenehm warm.
    Ludwig erwartete ihn in Fritz’ Zimmer. »Geht es dir gut?«
    »Gut. Aber meine … Hose, mein Pullover?«
    Ludwig zeigte auf den Mülleimer. »Die habe ich weggeschmissen.«
    »Aber … Das sind meine!«, protestierte Tabori.
    »Du kannst dir alles, was du willst, von Fritz aussuchen. Er braucht sie sowieso nicht mehr. Er ist schon größer als du.«
    Tabori verstand nicht alles von dem, was Ludwig sagte, konnte sich jedoch den Rest zusammenreimen, als der auf Fritz’ Kleiderschrank zeigte. Ganz wohl war Tabori nicht dabei, aber seine alten, schmutzigen und zerrissenen Kleider waren wahrscheinlich wirklich nur noch ein Fall für den Abfall

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