Trieb
wie ein Kichern klang. »Schließlich ist das immer noch meine Story.«
»Okay, aber sagen Sie endlich: bei wem?«
154
Annas Schultern wurden gepackt, dann beförderte sie ein grober Stoß in das Atelier. Sie stolperte über den kleinen Jungen, der einen erschrockenen Schrei ausstieß. Der Mann im Türrahmen versperrte ihnen den Fluchtweg.
Der Junge suchte Schutz hinter Annas Beinen, die unter ihr nachzugeben drohten, als sie den vertrauten, leuchtend blauen Rucksack und das Shirt mit der großen gelben Applikation betrachtete. »Woher kommen diese Sachen?«
»Eigentlich hättest du es wissen müssen, Anna: Wenn ich arbeite, will ich nicht gestört werden. Niemals.«
»Woher?«
Ihr Schwager kreuzte die Arme vor seiner Brust, sagte aber keinen Ton.
»Ich fragte dich, wie du an Manuels Sachen kommst?«, kreischte sie.
»Was denkst du denn?«, erwiderte Bernd mit leichtem Grinsen auf den Lippen.
»Du?« Anna war wie gelähmt.
Er lehnte sich an die Tür.
»Aber was …« Ungläubig schüttelte sie den Kopf. »Was ist mit Alan? Er war es doch, der …«
»Nein.« Bernd lächelte. »Alan hat gar nichts getan. Alan ist nur ein kleiner Feigling. Aber das habe ich dir von Anfang an gesagt. Oder weißt du, dass er schon seit Wochen eine neue Freundin hat? Sie hat übrigens zwei Kinder, eines mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Wahrscheinlich hatte er deshalb das Ritalin in der Tasche
.
Aber wie immer hat er sich nicht getraut, es dir zu sagen. Und die letzten Tage, na ja, da wollte er dich nicht noch mehr belasten.«
Das alles war zu viel. Anna war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Sie stürzte in ein unendliches, schwarzes Nichts. Sie fühlte nichts mehr. Sogar die Tränen fehlten ihr. »Und du?«
»Was soll mit mir sein?«
»Du wolltest mir doch …« Sie sah den kleinen Jungen an, der sich verängstigt an ihr Hosenbein klammerte. »Oder warst du nur an«, ihre Stimme wurde von plötzlicher Übelkeit erstickt, »Manuel interessiert?«
Noch immer lächelte Bernd.
»Warum?«, brachte sie heraus.
»Warum?« Er zuckte mit den Achseln. »Weil es mir gefällt. Deshalb.«
Das war keine Antwort.
»Warum? Bernd, warum? Und warum musstest du ihn töten?«
Er beugte sich über Anna. »Warum? Warum? Darum! Weil ich das tue, was mir Spaß macht, was mich inspiriert. Diese Macht … zu tun und zu lassen, was ich will. Ohne dass mich jemand aufhalten kann. Und auch du wirst mich nicht aufhalten. Niemand wird mich aufhalten. Ich bin …«
»Du bist ein kranker Freak!«
»Nein, ich bin ein Künstler, der …« Die Worte erstarben in einem Gurgeln. Seine Pupillen verdrehten sich, dann kippte er nach vorne auf die weißen Fliesen.
Hinter ihm stand ein kleiner, untersetzter Mann, dessen eine Hand eine Schaufel umkrampfte. Schwer keuchend blickte er auf den bewusstlosen Körper herab, dann wandte er sich Anna zu: »Und ich bin ein Reporter.«
155
Das SEK, das Kalkbrenner auf dem Weg zur Bauernkate verständigt hatte, war schnell mit seiner Arbeit fertig. Die Beamten stürmten das Anwesen und zogen sich gleich darauf unverrichteter Dinge wieder zurück.
Muth legte dem aus der Bewusstlosigkeit erwachten Bernd E. Benson Handschellen an und führte ihn zum Wagen ab.
Der Notarzt versorgte Anna Benson. »Er hat … Manuel …«, stammelte sie, dann versagte ihre überanstrengte Stimme. In ihren Händen hielt sie einen Rucksack und ein langärmeliges Shirt mit Button.
»Er wollte sie umbringen«, warf Harald Sackowitz erklärend ein.
»Und wie sind Sie auf ihn gekommen?«, fragte Kalkbrenner.
Der Reporter reichte ihm mehrere Computerausdrucke. »Sein Name steht auf der Liste, und ich wusste, dass er Manuels Onkel ist.«
Kalkbrenner überflog die Namen und Adressen. Für Bernd Erich Benson würde es zur Anklage und zur Verurteilung reichen. Es gab zwei Kinderleichen mit Spuren und Sperma sowie einen Mörder, dem diese mit Sicherheit zugeordnet werden konnten. Aber was die anderen Männer betraf …
Es ist uns unmöglich
,
etwas gegen die Männer zu unternehmen.
Sackowitz erriet seine Gedanken. »Ich habe auch Fotos«, sagte er, holte eine CD aus seiner Tasche und balancierte sie auf der Handfläche. »Eindeutige Fotos.«
Kalkbrenner griff danach, doch Sackowitz entzog sie ihm mit einer schnellen Bewegung. »Unter einer Bedingung: Es bleibt meine Story, versprochen?«
Blaulicht zuckte durch den späten Winternachmittag. Ein Streifenwagen fuhr vor, dem Berger mit zerknittertem Anzug und verdrossener Miene
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