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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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steuerst du die PlayStation
.
Vorsicht, jetzt musst du springen!«
    Tabori drückte einen der Knöpfe, und die Figur auf dem Monitor vollführte eine Rolle rückwärts.
    »Nein!« Die Jugendlichen lachten. »Nicht so.« Aidan presste einen anderen Button, und die Figur köpfte einen Ball im hohen Bogen ins Tor. Auf dem Monitor explodierte ein Feuerwerk, aus den Lautsprechern drang das Jubeln Tausender von Menschen.
    »Siehst du, so geht das.« Aidan nahm das Gamepad wieder an sich. »Guck her, ich zeige dir, wie das Spiel funktioniert.«
    »Ist das
futboll
?«, fragte Tabori.
    »Street Soccer.«
    »Aber es sieht doch wie Fußball aus.«
    »Ist es ja auch.«
    Aidan brachte Tabori die wichtigsten Kniffe bei, und danach spielten beide gegeneinander.
    »Du sollst rennen«, rief Aidan.
    »Mach ich doch!«
    »Und warum fallen deine Spieler alle um?«
    Die Figuren purzelten aberwitzig über das Spielfeld.
    »Jetzt schieß!«
    Tabori drückte hektisch einige Knöpfe, und sein Spieler hockte sich hin, als würde er sein Geschäft mitten auf dem Spielfeld verrichten wollen. Lauthals prusteten alle los, sogar Tabori musste lachen.
Street Soccer
machte Spaß.
    Je länger sie spielten, desto besser gelang es ihm, seine Figuren zu steuern. Das dritte Spiel gewann er sogar. In der Zwischenzeit wurde Aidan immer leiser, bis er am Ende gar nichts mehr sagte. Er schwieg sogar noch, als sie aufgefordert wurden, das Kaufhaus zu verlassen. Es war acht Uhr abends.
    »Was ist mit dir?«, fragte Tabori auf dem Weg zur Straße.
    »Nichts.«
    »Ist es wegen des Spiels? Weil du verloren hast?« Tabori kam sich undankbar vor. Aidan hatte ihm den ganzen Tag über geholfen, und Tabori hatte ihn im Gegenzug dafür nicht einmal gewinnen lassen. Weil er sich nicht traute nachzuhaken, schritten sie schweigend nebeneinander den Bürgersteig entlang. Es hatte geschneit, und ein feiner weißer Flor lag auf dem Asphalt.
    »Das war ein schöner Tag. Seit Langem mal wieder«, brach Aidan das Schweigen.
    »Ja, das stimmt.« Es war tatsächlich toll gewesen. Und eigentlich wollte Tabori nicht, dass der Tag endete. Aber jetzt war Abend, und morgen wollte er wieder Geld verdienen. »Aidan, wo schläfst du?«
    »Mal hier, mal da.«
    Die Antwort verwunderte Tabori. Er drehte sich um die eigene Achse. Den ganzen Tag über hatten sie sich nicht weit von der Kreuzung entfernt, an der sie sich zum ersten Mal über den Weg gelaufen waren. »Ich weiß einen Platz, wo wir schlafen können.«
    »Darf ich mitkommen?«, bat Aidan.

37
    Das sanfte Licht der Nachttischleuchte schmeichelte dem Gesicht der alten Frau. Sie lächelte, als sie eine Bewegung wahrnahm. »Paul, da bist du ja endlich.«
    Kalkbrenner hängte seinen Mantel über die Stuhllehne. »Hallo, Mama.«
    Seine Mutter spähte erwartungsvoll in die Dunkelheit hinter ihm. »Wo hast du Ellen gelassen? Kommt sie noch?«
    »Nein, heute nicht.«
    »Und Jessy? Erzähl mir von ihr.«
    Er zögerte.
    »Kann sie endlich laufen?«
    »Weißt du denn nicht mehr, dass Jessy inzwischen studiert?«
    »Sie studiert?« Käthe Maria legte die Stirn in Falten. Nach reiflicher Überlegung entschied sie, dass sie ihren Sohn wohl nicht richtig verstanden hatte. Oder dass er sich einen Scherz mit ihr erlaubt hatte. »Jedenfalls solltet ihr sie langsam an das Töpfchen gewöhnen. Glaube mir, je eher, desto besser. Als du noch ein kleines Baby warst, hast du dir auch ständig in die Hosen gemacht, und erst …« Sie hielt inne, und ihr Oberkörper fuhr empor. »Herrje, jetzt reden wir hier und vergessen dabei ganz die Zeit. Wie spät haben wir’s denn?«
    Kalkbrenner bettete sie sanft zurück aufs Kissen. »Jetzt bleib doch liegen, Mama.«
    »Lass mich! Dein Vater kommt gleich von der Arbeit, und du weißt doch, dass er grantig wird, wenn sein Abendbrot nicht rechtzeitig auf dem Tisch steht.« Sie atmete schwer. Die plötzliche Bewegung hatte sie angestrengt. »Reich mir doch bitte den Wecker rüber. Er steht dort drüben, bei dem Bild von deinem Vater. Ich werde ihn mir zum nächsten Mittagsschlaf stellen.«
    »Das brauchst du nicht«, beruhigte Kalkbrenner sie und gab ihr stattdessen die Schnabeltasse.
    Begierig trank sie vom Wasser, bevor sie seine Hand liebkoste. »Bald bist du ein großer Junge.«
    Die jäh aufflammende Deckenlampe riss Kalkbrenner zurück in das harte Licht der Wirklichkeit. Auf dem Nachttisch befand sich kein Wecker. Auch kein Bild seines Vaters stand da. Kalkbrenner war längst ein erwachsener Mann, seine

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