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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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so hingebungsvoll, wie nur üppige Frauen zu essen wagen –, dann fraß ich ihr aus der Hand wie ein Sträfling nach zehn Jahren Gulag.
    »Ich werde feist wie ein Buddha neben dir werden«, stöhnte ich an ihren paradiesischen Busen geschmiegt, und sie lachte nur, schob mir eine weitere Praline in den Mund und meinte: »Solange man kaut, lebt man.« Dann zündete sie sich eine Zigarette an, blies den Rauch aus ihren rot geküssten Lippen, bis ich eifersüchtig auf den Rauch Hoheitsansprüche auf ihre Lippen anmeldete.
    »Willst auch eine rauchen?«, bot sie mir an. Nein, ich wollte nicht wieder rauchen, eine Sucht war genug. Meine Sucht war sie. Ich wollte eifersüchtig sein, wollte rasen, mich verzehren nach ihr und sonst nichts. Wir Männer sind so schlicht. Wenn uns die Liebe packt, werden wir ganz eindimensional. Horizontal. Vögeln, schlafen, vom Vögeln träumen, vögelnd aufwachen – so hätte es für mich bis Genua weitergehen können. Rosi war alles, was ich brauchte. Den Sturm, der uns ab Casablanca begleitete, den brauchte ich nicht.
    Dabei fing er ganz harmlos an.
    »Das Schiff schaukelt ein bisschen. Merkst du es?«, fragte Rosi.
    »Das ist nur unser Bett«, flüsterte ich in ihre Lippen. Aber bald darauf gerieten wir aus dem Takt, weil das Bett Hanglage annahm. Ein lästiges Auf und Ab, Rollen und Schwanken störte unseren eigenen Rhythmus, irgendwas stimmte da draußen nicht.
    »Am besten trinken wir mal eine Flasche Champagner zusammen«, schlug Rosi vor. »Trinken hilft gegen Seekrankheit.« Das hätte von mir stammen können. Ich lachte, und sie wollte wissen, ob ich ihr nicht glaube.
    »Doch, doch«, versicherte ich ihr, und dann rückte ich mit der Wahrheit heraus. Erwähnte meinen Kreuzfahrtführer, den ich in zwei Wochen von meiner sturmfreien Mietwohnung aus heruntergefetzt hatte, mit nichts als dem Internet und einem Stapel Merian – Heften aus dem letzten Jahrtausend als Recherchequelle. Dass ich selbst von Seekrankheit ungefähr so viel Ahnung hätte wie ein Maulwurf in seinem Vorgarten.
    » Du hast das geschrieben?« Rosi kramte aus ihrem Bücherstapel meinen Trinkerband hervor und hielt ihn mir hin. Ich nickte. Die Ära der Bekenntnisse hatte begonnen. Ich war nicht stolz auf diese Einwegschwarte. Ich hätte lieber einen einzigen unvergesslichen Roman, ein Stück wohlkomponierter, zu Herzen gehender, zum Nachdenken und Schmunzeln verführender Literatur vorzuweisen gehabt. Aber Rosi war hingerissen. Sie fand meine Idee genial und nicht, wie seinerzeit Lena, zynisch. Sie hat eben Humor, und sie ist ein Genussmensch, sie mag Tabubrüche. Zugegeben, ihre Begeisterung schmeichelte mir. Ich vertraute ihr, und so gab ich meine wenig schmeichelhaften Berufsgeheimnisse preis, während wir uns unter der Dusche gegenseitig einseiften, um wieder salonfähig zu werden.
    Auf dem Weg zur Moonlight-Bar schwankten uns Gestalten mit prämortalem Gesichtsausdruck entgegen. Im Lift reiherte uns ein bleicher Mitfahrer in hohem Bogen vor die Füße, wobei ihm das Toupet vom Kopf rutschte und ins Erbrochene fiel. Es stank nach Gambas in Sauer, und ich wurde wankelmütig. »Sollen wir den Schampus nicht lieber in unserer Kabine …?«
    Aber Rosi war nicht umzustimmen. »Jetzt wird’s richtig lustig, wirst schon sehen. So einen Sturm auf See kriegt man nicht alle Tage geboten, der trennt die Spreu vom Weizen.« Ich wollte nicht von ihr getrennt werden. Hoffentlich hält mein fränkischer Festlandmagen durch, flehte ich zum heiligen Erectus, dem Schutzheiligen des aufrechten Ganges, und stapfte schwerfällig neben meiner munteren Venus von Willendorf her. Es war mir schleierhaft, wie dieses üppige Wesen so leichtfüßig durch die Gänge tänzelte, als gälten die Gesetze der Schwerkraft bei ihr nicht. Sie musste über eine besondere Hydraulik verfügen, die den Mageren fehlt.
    Droben in der Moonlight-Bar wurde gerade das Mitternachtsbüfett eröffnet. Dreißig Sorten Eiscreme und dazu jede Menge Gaumenschmeichler, chilischarfe und honigsüße, fruchtige, sahnige und krokantige Sößchen – ein kulinarisches Feuerwerk, in das Rosi sich selbstvergessen stürzte wie ein Kind auf dem Jahrmarkt. Ich sah ihr fasziniert zu. Als hätte sie meine Wo-tut-sie-das-hin – Gedanken durchschaut, meinte sie schelmisch, sie habe eine Million Fettzellen, und die wollten gefüttert werden. »Und außerdem beginnt gerade der Sonntag. Das ist mein Fresstag«, fügte sie hinzu. Ihre Augen wirkten auf einmal matt. Eben noch

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