Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
britischen Freunde, die Fitzgeralds. Und nehmen Sie eine Scheibe von dem Früchtekuchen, der sieht gehaltvoller aus.«
Will tat es nicht, sondern sah seinem Gegenüber in die Augen.
»Ich glaube nicht, Mister Tilmann, dass Sie mich zu diesem Gespräch gebeten haben, um mit mir über die Qualität der englischen Teatime zu plaudern.«
»Nein, Will, das war nicht meine Absicht. Kommen wir also zur Sache: Was haben Sie in Marokko getrieben? Und jetzt keine Geschichtchen über staubige Esel und die Essgewohnheiten der Kabylen.«
Emmalou hatte von Chancen gesprochen, die sie gesehen und genutzt hatte.
Will lächelte und begann zu sprechen.
73. TREFFEN IN GODESBERG
Wag es, und die Welt ist dein!
Eine neue Welt gestalte,
wenn in Trümmern liegt die alte,
ohne Trost und Hoffnungsschein.
Hoffmann von Fallersleben
D er neunzehnte Oktober war ein nieselregnerischer Tag, der mit einer häuslichen Katastrophe begann, bei der in der Küche der Pump-Perkolator, ein unheimliches Gerät zur Kaffeebereitung, bollernd seinen Geist aufgab und wir die Gäste über Filterkannen mit ihrem Frühstücksgetränk versorgen mussten. Dann überfraß sich ein kleines Mädchen an den Quarkschnitten, und der Teppich im Salon musste einer gründlichen Reinigung unterzogen werden. Und da aller Missgeschicke dreie sind, schnitt sich auch noch das Küchenmädchen in die Hand, blutete in das Sauerkraut und musste zum Arzt gebracht werden.
Ich kam eben von diesem Gang zurück und wurde Zeuge des nächsten Trubels. Der allerdings machte mein Eingreifen nicht erforderlich. Wenngleich er mich erst in Erstaunen, dann in beinahe unbotmäßige Erheiterung versetzte.
Eine abgerissene alte Frau mit zotteligen Haaren, in einem wohlbekannten fadenscheinigen Mantel und einem grauenvollen Kapotthut, hinkte am Stock in die Rezeption. Annalisa stand gerade an der Theke und nahm Eintragungen im Gäste buch vor. Als die Frau stöhnend in einen Sessel sank, eilte sie zu ihr und fragte auf ihre freundliche, mitfühlende Art, ob sie Hilfe benötige.
»Ein Zimmer. Nur ein kleines, bitte. Nur für heute Nacht.«
»Aber natürlich. Sie haben vermutlich nicht vorbestellt?«
Kopfschütteln und wieder ein leises Stöhnen. Annalisa sah sich suchend um, erblickte mich und sagte: »Emma, bringst du der Dame bitte eine Tasse Tee und ein paar Kekse? Ich fürchte, sie ist recht erschöpft.«
»Selbstverständlich. Darjeeling, mit Zucker und Zitrone, wenn ich mich recht erinnere. Und Petit Fours.« Sarah Heinemann strahlte mich an. »Und was darf ich Tex bringen lassen?«
»Der wird sich über einen Kaffee und einen Streuselkuchen freuen. Der Mann ist, seit wir in Deutschland sind, geradezu süchtig nach diesem Zeug geworden. Und nun, Emmalou, stellen Sie mich der netten Dame vor, die einer alten Frau Hilfe angeboten hat.«
»Ich hätte es mir doch denken müssen«, sagte meine Schwester und reichte Frau Heinemann die Hand. »Willkommen in unserem bescheidenen Kurhotel. Emma hat uns von Ihren Schelmenstückchen schon erzählt. Wie lange möchten Sie bleiben?«
»Zwei Wochen, dann geht mein Dampfer wieder von Hamburg zurück.«
»Sehr wohl. Emma, mach das große Gartenzimmer fertig. Hans, das Gepäck der Dame. Und kümmer dich um ihre Begleitung.«
»Und das Automobil. Immer noch dieser protzige Maybach?«
»Tex liebt ihn. Und er ist wirklich bequem.«
Frau Heinemann war untergebracht, und ich fragte mich, ob ihr Auftauchen etwas mit Wills Neuigkeiten zu tun hatte.
Lange musste ich mich nicht gedulden. Er traf am frühen Nachmittag ein, der Ford blitzend und poliert, er selbst in einem eleganten Tweedanzug, einen Hut im frechen Winkel auf dem Kopf und zwei riesige Blumensträuße im Arm.
Nachdem die Willkommensorgie überstanden war, brachte ich ihn zu seinem alten Zimmer, das wir für ihn wieder hergerichtet hatten, benahm mich ein wenig unschicklich und fragte schließlich, zerzaust und wohlig aufgewärmt, nach den Neuigkeiten.
»Du hast die Stelle bei Ford bekommen und wirst augenblicklich Geschäftsführer?«
»Tja, Emma, die armen Fordleute musste ich nach reiflicher Überlegung enttäuschen. Ich bekam ein attraktiveres Angebot.«
»Von wem?«
»Von Frank Tilmann.«
»Oh.«
»Ihn hat zwar auch mein Modell T beeindruckt, aber mehr noch, wie es scheint, mein Einsatz in Marokko. Er ist der Meinung, dass ich ganz vernünftige Ansichten darüber habe, wie man eine Infrastruktur organisiert, und hat mich gebeten, bei einem seiner neuerworbenen Ölfelder
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