Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Ihre vollen Lippen schimmerten im Rot reifer Äpfel. Eben studierte sie mit gesenkten Wimpern die Maniküre.
Der Kellner servierte Mac das Bier und stellte Brotkorb und Butterfässchen auf den Tisch. Dann nahm er die Bestellung der beiden Herrschaften auf, die sich für die fünf Gänge entschieden hatten. Danach vertieften sich die beiden in ein Gespräch, das Mac unwillkürlich die Ohren spitzen ließ.
»Ich finde, wir sollten das großzügige Angebot annehmen, Ruidi. Warum nicht? Gute Reifen kosten eine Menge Geld.«
Die Stimme der jungen Dame klang sanft, ein Hauch von Akzent lag darin, möglicherweise stammte sie aus der Schweiz.
»Ich weiß nicht, Liebes. Künstlicher Kautschuk hat keinen guten Ruf. Nicht elastisch genug, sagt man.«
»Ja, aber Herr Thalheimer hat uns doch versichert, dass sie sehr robust sind und praktisch nie kaputt gehen. Und du weißt doch, wie lästig das Radwechseln ist.«
»Das ist natürlich für dich ein Argument.«
»Ruidi, du machst dir auch nicht gerne die Finger schmutzig. Lass es uns einfach versuchen. Wir können unsere anderen Reifen einfach mit dem Gepäck zu den Haltepunkten bringen lassen und, wenn nötig, dort aufziehen.«
»Das ist gegen das Reglement, Doro.«
»Ach was, Reglement. Das ist doch eine Juxfahrt, das hast du selbst gesagt.«
Der Käseteller wurde vor Mac abgestellt, und er ergriff ein Brötchen, um es aufzuschneiden. Das Paar vor ihm schien offenbar auch an der Rallye teilnehmen zu wollen, wenngleich wohl ohne großen Ehrgeiz. Eine Juxfahrt. Nun ja, auf manchen Strecken würde ihnen vermutlich das Lachen vergehen – durch die Eifel und durch das Bergische Land waren die Straßen recht fordernd. Viel bemerkenswerter aber erschien ihm die Tatsache, dass der Reifenfabrikant Thalheimer offenbar großzügig seine Produkte verschenkte. Eine Werbemaßnahme für seine Reifen aus Synthesekautschuk? Warum nicht? Alle Hersteller, ob für Automobile, Zündkerzen, elektrische Beleuchtung oder Schmieröl warben mit den Erfolgen ihrer Produkte bei Rennen und Rallyes, warum nicht auch ein Reifenhersteller?
Die junge Dame widmete sich nun der Vorspeise, und als Mac sein Bier an die Lippen führte, sah sie plötzlich auf. Sie hatte dunkle, wunderschöne Augen, und ihr Blick berührte ihn seltsam. Langsam hob er sein Glas zu einem Salut. Ihre Wimpern flatterten leicht, dann widmete sie sich wieder ihrer Suppe.
Mac lächelte in sich hinein. So lange schon hatte er nicht mehr das Flirtspiel mit einer schönen Frau begonnen. Es musste ein weiteres Zeichen seiner Genesung sein, dass er dieses sanfte Ziehen wieder verspürte.
Das Essen schmeckte auch besser als seit Langem, der Camembert war reif und würzig, der Gruyère mild und nussig, das Brot knusprig und das Bier kühl.
Noch ein weiteres Mal fühlte er die traurig schönen Augen auf sich ruhen und hielt ihren Blick für eine kleine Weile gefangen. Dann aber beendete er sein Mahl mit einem Kaffee und zog sich mit einem höflichen Gruß zurück.
Doro hatte er vermutlich nicht zum letzten Mal gesehen.
Die Rallye gewann immer neue erfreuliche Aspekte.
Hans hatte das Abteil schon umgebaut, und Mac berichtete ihm, während er seine Kleider gegen den Pyjama tauschte, von der Unterhaltung, die er belauscht hatte.
»Kann ja sein, dass die Chemiker inzwischen etwas an dem Kunstkautschuk getan haben, aber ich würde ein solches Angebot nicht annehmen«, meinte Hans. »Diese Dunlops mit dem Cordmaterial machen mir einen ganz guten Eindruck. Ich habe keine Lust, nach jeder Schotterstrecke die Reifen zu flicken.«
»Wir werden ja sehen, wie sich die Dinger halten.«
Hans gähnte und fragte: »Was dagegen, wenn ich jetzt das Licht ausmache?«
Mac verneinte und streckte sich auf seinem Lager aus. Die Vorhänge vor dem Fenster ließen sie beide offen, und gelegentlich flackerte ein Licht von einer verlassenen Haltestelle hinein. Das monotone Geräusch der Räder auf den Gleisen, das leichte Ruckeln und Schwanken des Wagens störte Mac nicht. Er hatte gelernt zu schlafen, wann immer es möglich war. Kurz bevor er in den Schlummer sank, dachte er an die Chancen, die sich für ihn auftaten. Alles in allem war der Ford T ein Glücksfall. Er hatte ihn von Beginn an selbst gepflegt und gewissenhaft gewartet. Oft war er nicht gefahren worden, Abd el Krim hatte häufiger den Renault und den Turcat-Mery benutzt, um über die staubigen Pisten Marokkos zu reisen. Staubig, voller Geröll, sonnendurchglüht, die Häuser einfache Hütten
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