Trolljagd
dies alles vorüber ist. Der einzige Grund, weshalb du noch am Leben bist, ist der, dass ich so einen außerordentlichen Wirt wie dich benötige.«
Julius riss seinen Blick von der Szene los. »Nichts an mir ist besonders. Ich bin nur ein einfacher Soldat und ein Diener des Ordens.«
»Ach komm, Julius, hier gibt es keine Geheimnisse. Ich weiß ganz genau, wer du bist und was du kannst, Magus.«
»Lügner. Ich bin ein Kind des Ersten Ordens!«, brüllte Julius wütend und zerrte an den Ketten.
Ezrah lachte. »Du bist das Kind eines Abtrünnigen und einer Hure. Allein der Barmherzigkeit Bruder Angelos hast du es zu verdanken, dass du nicht das Opfer deines Selbsthasses geworden bist.«
Die Wahrheit von Ezrahs Aussage traf Julius wie ein Stich ins Herz. Außer seinen Eltern kannten nur Bruder Angelo und David seine wahre Herkunft. Seit der Orden ihn adoptiert hatte, war es der Hass auf seinen Vater und dessen Volk gewesen, der ihn zu einem der glühendsten Anhänger des Ordens gemacht hatte.
»Spar dir deine großen Geschichten für jemanden auf, der nicht die Schichten deiner Seele aufgedeckt und gesehen hat, was dahinter verborgen liegt.« Ezrah umfasste Julius’ Kinn und drehte sein Gesicht zu sich. »Eine große Macht wurde auf der Welt freigesetzt, und sie wird mein sein; dann nehme ich Rache an jenen, die mich betrogen und in diese Hölle verdammt haben.« Ezrahs Augen glühten hell auf, und Julius sah in ihnen das Bild der unter Deck eingeschlossenen Besatzung der Jihad , kurz bevor die Anhänger der Kirche das Schiff in Brand gesetzt hatten. »Sprich, Julius, hast du jemals den Schrei eines Mannes gehört, der bei lebendigem Leib verbrannt wurde? Schon der Schrei einer solchen armen Seele ist grausamer als alles andere, was du dir vorstellen kannst, und zu meiner Besatzung gehörten zwanzig dieser Opfer.«
»Eine angemessene Strafe für die Anhänger Satans, wenn du mich fragst«, erwiderte Julius grinsend.
Ezrah dachte über seine Worte nach. »Schon möglich, aber wir können diskutieren, was angemessen ist und was nicht, nachdem du mein Angebot angenommen hast. Diene mir, und ich werde dir das Leben zurückgeben, das die Trolle dir genommen haben.«
Julius lachte beinahe hysterisch. »Du verschwendest deine Energie und deine Zeit, Höllenbrut. Tot oder lebendig, meine Loyalität gehört dem Orden, und einem wie dir werde ich niemals dienen. Wenn ich zwischen deinem Angebot und dem Tod wählen muss, wähle ich gern Letzteres.« Er spuckte Ezrah ins Gesicht, aber der Speichel flog durch ihn hindurch und landete auf dem Deck.
»Wer sagt denn, dass du eine Wahl hast?« Ezrah hob seine Hände und rief den Nebel zu sich. Ein Dunstschleier bildete sich kreisförmig um Ezrahs Füße, und aus diesem Nebel stiegen gespenstische Formen empor. »Ob als Held oder als Sklave, du wirst mir dienen!«
Anklagend zeigte Ezrah mit seinen Fingern auf Julius, und die Geister stiegen auf ihn herab. Julius spürte, wie sich die Haut von seinem Rücken schälte, als die Geister ihn heimsuchten, doch aus seinen Wunden quoll Nebel statt Blut. Als der feuchte Dunst seinen Rücken hinabrollte, verdichtete er sich und legte sich über ihn wie Tücher aus kühler Seide. Kurz darauf war die Vision des Decks der Jihad verflogen, und die wirbelnden Gestalten nahmen Julius Glied für Glied auseinander. Als die Geister schließlich verblassten, war Julius verschwunden; übrig blieb etwas Dunkles und Beängstigendes.
»Womit kann ich dir dienlich sein, Meister?«, fragte die schattenhafte Gestalt mit verzerrter Stimme. Das Wesen, das einst Julius gewesen war, kniete zu Ezrahs Füßen.
Ezrah lächelte wie ein stolzer Vater. »Bring mir den Funken und den Kopf von Gabriel Redfeather.«
1. Kapitel
»Redfeather, bist du noch bei uns?« Asha schnippte mit den Fingern, um Gabriel aus seiner Benommenheit zu holen. Zehn Minuten lang hatte er völlig regungslos dagesessen, was sie ziemlich aus der Fassung brachte.
Gabriel blinzelte und blickte in die Runde, als ob er die Gesichter um sich herum zum ersten Mal sehen würde. »Ja, es geht mir gut«, log er.
Seit er in den Besitz des Nimrods gelangt war, fiel er immer wieder in Trance und sah Dinge mit den Augen des Bischofs. Meistens waren diese Visionen vollkommen wirr, und er konnte sie nicht deuten. Der Bischof versuchte, ihm etwas mitzuteilen, aber er hatte keine Ahnung, was das sein könnte.
Gabriel fuhr mit den Fingern durch sein dichtes, schwarzes Haar, aber das konnte sein
Weitere Kostenlose Bücher