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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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überhaupt zurück war.
    Postkasten voll. Umschläge mit Bewerbungsunterlagen purzelten mir entgegen, so als kleine Erinnerung, warum ich überhaupt weg gewesen war. Ein paar Freunde, die begeistert per Mail über ihren neuen Job berichteten. Alles super, alles klasse. Okay, und hier: Facebook behauptete wie immer, ich hätte ungelesene Nachrichten. Ich überlegte mir genervt, den Account endlich zu löschen. In meinem Postfach weitere Mails von Fb. Der hübsche Typ von neulich, dem ich „aus Versehen“ meine Freundschaftsanfrage geschickt hatte. Er hatte tatsächlich nochmal geschrieben? Gleichmütig klickte ich auf die Nachricht. Der Gesprächsverlauf öffnete sich:
    „Kennen wir uns?“
    „Nein, tut mir leid, wollte Sie nicht belästigen, hab Sie aus Versehen angeklickt“
    Antwort: „Schade. Warum lernen wir uns nicht kennen?“
    Keine Antwort von mir. Logisch, ich war ja weg gewesen.
    Er: „Ich will ja nicht aufdringlich sein – aber ist es höflich, jemand vier Tage ohne Antwort zu lassen?“
    Keine Antwort. Klar. Ein Tag später:
    „Hallo?“ Ein Tag später:
    „Hallo?“ Ein weiterer Tag später:
    „Halloho??“
    Sehr einfallsreich. Trotzdem musste ich lächeln. Sein Bild strahlte mich an. Ob er wirklich so gut aussah wie auf dem Foto? Ich selbst hatte ein Bild reingesetzt, auf dem ich sehr vorteilhaft getroffen war und noch eine etwas andere Figur gehabt hatte – ich war nicht immer so pummelig gewesen ... aber wenn ein Typ so aussieht, wie der da... was mag der wohl denken, wenn er mich in natura sieht? Meine angeborene Scheu meldete sich, dennoch schrieb ich zurück. Dass ich in Amerika gewesen war und erst jetzt seine Nachrichten hatte lesen können.
    Die Antwort kam nahezu postwendend:
    „Wann treffen wir uns? Haben Sie schon einen Job? Ich bin Ihre beste Zukunft! Sagen Sie bloß nirgendwo anders zu, bevor Sie mit mir gesprochen haben!“
    Das war Jean. Eigentlich heißt er Johann. Johann Kolb. Aber da wir in der Filmbranche sind, besteht er auf „Jean“. Jean-Colbert-Film-Studio - das Kleinod in der Branche. Inzwischen ist das schon ein Markenzeichen: Ein Jean-Colbert-Film. Ein JC-Film.
    Aber ich kann heute noch fühlen, was seine paar Zeilen damals in mir ausgelöst hatten. Und welche Hoffnungen sie in mir erweckt hatten.
     
    P.S. Wir nennen ihn Joe oder meistens nur „J“. Jean ist uns eindeutig zu blöd.
     
    ***
     
    Der alte Mann neben mir kicherte. Dann lachte er herzhaft.
    „Meine Güte“, sagte er. „Echt witzig, dein Leben. Und wie ist er denn so, dieser J?“
    „J ist ... hm... gute Frage“, seufzte ich nachdenklich. Witzig war mir mein Leben bis dato noch nie vorgekommen. „Willst du wissen, wie ich ihn damals empfand, oder heute?“ fragte ich ihn. „Ich fürchte, das ist ein Riesenunterschied“.
    „Ist egal“, antwortete er vergnügt. „Erzähl einfach weiter“.
     
    Laut unserer esoterischen Elisha – zu ihr komme ich später - ist J der Materialist par excellence und -  Triebtäter, was heißt, er steht auf alles, was hübsch ist und muss es haben, von Gegenständen bis hin zu Frauenkörpern, wobei ich mir nicht sicher bin, ob er da überhaupt einen Unterschied macht. Total verfangen in der äußeren Welt. Sagt Elisha. Es zählen Image, Verkaufszahlen, Sex, gutes Essen, heiße Partys und allem voran Firma und Karriere. Er will bei den Großen mitspielen, geht in angesagte Lokale und ebensolche Events, genießt alles mit vollen Sinnen. Angefangen von seinem Geschäftsgebaren bis hin zum Sex ist er geradezu entwaffnend offen und ungehemmt, was einen gehörigen Teil seines Charmes ausmacht - ein Womanizer, bestrickend und berechnend romantisch. Im Grunde seines Herzens ist er einsam. Sagt Elisha. Er tut all das, weil er ‚dazu gehören will’. Tut es, weil er darin seine Chance sieht, dem Leben einen Sinn abzugewinnen und sich selbst zu lieben. Wenn er all das erreicht, was er will, ist er glücklich. Hätte er es nicht, fiele er in ein Loch. Sagt Elisha. Logisch, will ich antworten, bei wem ist es denn anders? Und überhaupt: Wenn einer sich liebt, dann mein Chef. Soviel ist sicher. Ich beneide ihn oft um diese gnadenlose Unbekümmertheit. Das Leben reduziert sich bei ihm auf die Reizerfüllung seiner Sinne und seiner Ziele. Und das macht alles sehr simpel für ihn.
    Wenn er eine Idee hat, legt er einfach los. Hindernisse sind keine Hindernisse, sondern blöde Steine, die man halt so schnell wie möglich wegkicken muss. Er erreicht seine Ziele immer und

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