Tropfen im Ozean
verdammt schwer. In diesen Momenten wunderte ich mich, warum ich, respektive der Mensch allgemein, der Anerkennung von Leuten hinterher jagte, von denen letztlich nichts zurückkam. Was band uns?
Doch dann dachte ich an J. An seine grauen Augen und das blonde Haar. An seinen Kuss. An sein Lachen. Schob die negativen Gedanken auf Seite und stürzte mich in mein neues Leben.
Action!
Es überrollte mich von der ersten Sekunde an. J besprach mit mir die Arbeitsaufteilung (ich hol die Aufträge, du machst den Rest) und stellte mir sein bereits vorhandenes Personal vor.
Er hatte gerade mal drei Leute, zwei, die Druckaufträge bearbeiteten, Autos und Schaufenster beklebten, und einen Mann im eigentlich noch nicht vorhandenen Filmstudio... und das war Rob.
Als ich Rob das erste Mal sah, fiel mir die Kinnlade herunter. Nach dem Messi-Zimmer im Erdgeschoss war der Kellertrakt, durch den mich J nun führte und in dem er einen einzigen Raum gemietet hatte, ein erneuter Schock. Alte, abgebrochene Fliesen an schimmligen Wänden, eine jugendliche, helle Stimme, die durch den hässlich gefliesten Gang schallte, aus genau dem Kellerloch, auf das J zu meinem Entsetzen zusteuerte:
„Ey, seers, Alter, yo, man. Was? Gestern? War voll cool. Hab angefangen mit nem’ 360-Flip Tailgrab in die Hip - und danach second try, gleich noch nen Revert mit drangehangen – also fivefourty Bigflip, aber mit nem Tailgrab vor’m Revert! Und dann hab ich die Ledge gekillt: Zum Aufwärmen mein Standardset, back fifty, kickflip back fifty, Kickflip Noseslide, Kickflip Crooks und dann als Krönung noch nen K-flip Backtail! Alter, voll geil, was? Warte mal, kommt grad jemand, ich ruf zurück“.
„Ey, was geht ab?“ fragte mich eine Sekunde später ein circa fünfzehnjähriger Junge, kaugummikauend, in den zerknautschten Bürostuhl gefläzt, ein Bein über die Armlehne gelümmelt. Er trug ein Skater-T-Shirt von Billabong, dazu giftgrüne Röhrenhosen und mit Gloo verklebte, löchrige Schuhe. Demonstrativ stand ein Skateboard neben seinem Stuhl und auf dem Monitor erblickte ich YouTube und jede Menge Skatertypen, die in halsbrecherischen Aktionen einen mit üblen Hindernissen versehenen Skatepark beackerten und auf dem Geländer von meterhohen Treppen entlangschlitterten.
Bestürzt drehte mich zu J. um. „Ist das dein Sohn?“ fragte ich entgeistert.
„Gott bewahre!“ quäkte J entrüstet.
„Wie alt ist der Typ denn?“ bohrte ich nach, ein flaues Gefühl im Magen.
„Wie alt schätzt du mich denn?“ fragte Rob zurück.
„So um die sechs?“ gab ich zurück und musste grinsen – Robs Lächeln war ansteckend.
„Hast wohl Angst, ich hätt nix drauf, was?“ fragte er und ich wurde rot, weil er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
„Rob ist super!“ versicherte J. „... glaub mir, er ist die beste Investition seit der Zahnbürste – der kann was! Er war ne große Nummer bei etlichen privaten Sendern und...“
„Und jetzt nicht mehr?“ unterbrach ihn erstaunt. „Haben die dich geschmissen?“
„Nee... ich bin weg... die privaten sind nich’ mein Ding“, schmatzte Rob formte eine Kaugummiblase, ließ sie platzen und starrte mich prüfend an. Braungrüne Augen, furchtlos und beneidenswert unabhängig. Es war dieser Blick, der mir Vertrauen gab. So schaute keiner, der nichts in der Birne hatte.
Und es war dieser Blick von damals und genau diese Worte, die mich hoffen ließen, dass Js Träume von einem namhaften Filmstudio nicht ganz unberechtigt waren.
Die Anfänge waren ... hm... ich würde sagen: originell. J war auf 180 und wollte unbedingt loslegen. Seine Idee, Mittelstand und Kleinunternehmer davon zu überzeugen, einen Imagefilm zu brauchen, brannte in ihm und so nahm er mich gleich am nächsten Tag mit zu einem Termin bei einem Firmenchef, dem er einen Film zum Sonderpreis versprochen hatte, sobald das Equipment verfügbar wäre.
„Aber J – wir haben noch gar kein Equipment“, warf ich zaghaft ein. „Wir haben noch gar nichts!“
„Ja, aber – das machst du doch – ich hab dir doch das Budget gegeben und du kaufst alles ein“.
„Ja, schon, aber das dauert ...und bis das alles eingerichtet ist, und ehrlich, wenn wir schon darüber reden... du brauchst unbedingt neue Räumlichkeiten. Dein Keller reicht hinten und vorne nicht für das, was du vorhast!“
„Neue Räumlichkeiten?“ wiederholte J und sah mich entgeistert an. „Sag mal, hast du sie noch alle? Wir haben noch nicht einen
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