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Trügerisches Bild: Ein Auftrag für Spenser

Trügerisches Bild: Ein Auftrag für Spenser

Titel: Trügerisches Bild: Ein Auftrag für Spenser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert B. Parker
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Polizei erstmal mitmischte, hatte man keine Kontrolle über gar nichts mehr. Und ich wollte Winifred und Missy aus der Sache raushalten, wenn sich das machen ließ.
    Ich trank meinen Kaffee aus und stand auf.
    Zeit, die Lage auszukundschaften.

65
    Winifred Minor wohnte in einem der palisadenhaften Eigentumsblöcke, die auf dem alten Navy-Gelände hochgezogen worden waren, nachdem die Navy es zum größten Teil geräumt hatte. Zum City Square hin gab es noch einen kleinen, eingezäunten Bereich, aber der Rest war jetzt Wohngebiet. Es gab ein paar kleine Läden für die Anwohner, aber der Großteil des Geldes und der Arbeit war in die Seite am Wasser geflossen, von wo man aus dem Fenster auf den Hafenverkehr und rüber nach Boston sehen konnte.
    Winifred lebte in einem grauen, mit Schindeln verkleideten Stadthaus am Ende einer langen Reihe von grauen, mit Schindeln verkleideten Stadthäusern, die alle eine Ebene höher lagen, so dass man darunter parken konnte. Was bedeutete, dass man erst eine Treppe hinaufsteigen und dann eine Art hölzerne Promenade vor den Stadthäusern entlanggehen musste, bis man die Hausnummer fand, die man suchte.
    Auf dem Weg vom Büro hierher hatte ich sorgfältig erwogen, welche Möglichkeiten es gab, mir Zutritt zu verschaffen, sobald ich mich ein bisschen umgesehen hatte. Ich ließ mir diese Möglichkeiten noch einmal durch den Kopf gehen, während ich die Stufen hinaufging und mich die Promenade entlang bewegte. Die Möglichkeit, für die ich mich entschied, war von atemberaubender Schlichtheit.
    Ich klingelte.
    Nach angemessener Zeit machte Winifred auf. Sie öffnete die Tür nur ein Stück; gerade so weit, dass sie nach draußen gucken konnte. Und als sie mich sah, stand sie da und starrte mich an, eine Hand an der geöffneten Tür.
    „Darf ich reinkommen?“, fragte ich.
    Sie blinzelte ein paar Mal, als würde diese Frage sie überfordern. Dann sagte sie: „Nein. Nein, ich glaube nicht. Wir sind sehr beschäftigt.“
    „Und wenn ich warte?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Wir sind den ganzen Tag lang sehr beschäftigt.“
    Ich nickte. Ihr Gesicht war starr. Aber während ich sie noch ansah, sah sie runter zum Türschloss, wo ihre Hand lag, und als ich der Bewegung mit dem Blick folgte, drückte sie den kleinen Knopf rein, mit dem sich die äußere Türklinke entsperren ließ.
    „Vielleicht sollte ich morgen noch mal wiederkommen“, sagte ich.
    „Wie es Ihnen passt“, sagte Winifred und schloss die Tür. Ich legte mein Ohr daran und hörte sie die Treppe raufgehen. Ich blieb einen Moment lang, wo ich war, und versuchte dann vorsichtig die Türklinke. Sie war entsperrt. Ich ging sehr leise rein und machte hinter mir wieder zu. Ein kleiner Flur führte zu einem Raum mit Sitzgelegenheiten und einem großen Fenster, das zum Hafen hin lag. Der Raum war als Büro eingerichtet. Zu meiner Linken führte eine Treppe nach oben, wo wahrscheinlich die Wohnräume lagen.
    Vertikale Architektur.
    Ich hatte eine Smith & Wesson Kaliber .40 an meiner Hüfte und eine kurzläufige .38er in einem Knöchelholster. Aber wenn es in den Raumverhältnissen, die ich oben vermutete, zu einer Schießerei kam, waren Winifred und Missy gefährdet. Ich auch, aber bei mir gehörte das dazu. Ich trug Jeans und Sneakers, ein schwarzes T-Shirt und eine Lederjacke. Das T-Shirt hatte eine kleine Tasche auf der Brust. Ich zog die Lederjacke aus und legte sie auf den Boden. Ich zog die S & W, spannte den Hahn, hielt sie ein Stück hinter meinem rechten Oberschenkel und ging leise die Treppe rauf.
    Und dort war er. Saß in einem Sessel, trank ein Glas Orangensaft. Seine Tochter saß neben ihm auf einem Stuhl. Und seine Exfrau saß auf dem Sofa, die Hände fest gefaltet und auf die Knie gelegt.
    „Ariel Herzberg“, sagte ich. „Wie er leibt und lebt.“ Seine Reaktionszeit war hervorragend. Er ließ den Orangensaft fallen, kam in einer einzigen gleitenden Bewegung auf die Füße, trat hinter Missys Stuhl und zog eine halbautomatische Pistole.
    Missy fragte: „Daddy?“
    Er machte eine abweisende Geste.
    Ich sagte: „Warum gehen Sie nicht rüber zu Ihrer Mutter, Missy.“
    „Nein“, sagte Ariel Herzberg. „Du bleibst hier.“
    Missy sah zu ihrer Mutter. Ihre Mutter hob die Hand, Handfläche nach vorn, in einer Bleib-da-Geste.
    „Wissen Sie, warum er Sie dort haben möchte?“, fragte ich. „Damit ich nicht ins Kreuzfeuer gerate“, sagte sie. Sie versuchte es mit Trotz, aber ihre Stimme zitterte

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