Truthahn um zwölf
sei froh, daß Tim diese Last nicht allein tragen müsse, — das klang, als solle er das Kind bekommen — und daß es eine Dummheit sei, sich die Krankenschwester so früh zu nehmen, sie persönlich sei überzeugt, daß das Baby erst in einem Monat käme. Annes Einbildung, daß das Kind an Weihnachten käme, sei richtig albern.«
Ich lachte. Es war einfach sagenhaft, daß Ursula mehr vom Kinderkriegen verstand, als wir drei zusammen. Aber trotzdem wäre ich froh, wenn Weihnachten vorbeiginge, ohne daß Nicolas oder Nicola ankäme. Dann tröstete ich mich mit dem Gedanken an unsere guten Straßen. Heute ist es keine Schwierigkeit mehr, rechtzeitig in die Klinik zu kommen.
Larry sagte: »Ich nehme an, jetzt darf ich nicht mehr über Ursula spotten. Wie ich sehe, fließt ihr alle vor christlicher Nächstenliebe über, obwohl ich nicht einsehe, wie sie eure Herzen damit gewinnen konnte, daß sie euer Auto fast und den Pokal ganz ruiniert hat. Ist ja auch egal, bald lebt sie nur noch in unserer Erinnerung, und ich hab’ viel zu viel zu tun, um über ihre Abreise nachzugrübeln. Die Gäste, die wir erwarten, sind viel aufregender. Mrs. Lee soll um vier Uhr kommen und Richard und Lydia um fünf. Ich bin gespannt, ob Richard auf der Stelle umdreht und flieht, wenn er meine Schwiegermutter sieht.«
»Selbstverständlich nicht. Er hat zu gute Manieren und mag dich zu gerne. Abgesehen davon würde ihn Lydia zurückhalten.«
»Ich muß jetzt aber aufhören. Ich bin mitten in der Arbeit. Das Zelt ist aufgestellt, und unser Bett sieht sehr einladend aus. Die anderen beiden Zimmer sind auf Hochglanz gebracht, ausgenommen Mrs. Lees Steppdecke, auf der Midge ein paar schmutzige Fußspuren hinterlassen hat. Ich kann mir nicht vorstellen, was in ihn gefahren ist, daß er da hinaufgeklettert ist. Normalerweise tut er so was nicht — und du weißt doch, wie sehr Mrs. Lee Hunde liebt.«
»Wie geht es dem Truthahn?«
»Schmort im Ofen, und ich glaube, wir können stolz auf ihn sein. »Ich hab’ Tim meine letzten Geschenke und Glückwünsche mitgegeben. Er fährt heute vormittag nach Tiri.«
»Aber die Post ist doch einige Tage lang geschlossen.«
»Ich weiß. Aber das ist mir egal. Die Sachen sind wenigstens weggeschickt. Ich wollte, Tony wäre dort. Sie würde sicher das Datum auf dem Stempel in den 22. umändern.«
Ich wußte recht gut, daß sie das tun würde, und war froh, daß ich sie sicher neben mir hatte, und sie energisch staubsaugte.
Zwei Frauen, die schnell und ohne viel zu reden miteinander arbeiten können, schaffen an einem Vormittag eine ganze Menge. Mittags saßen Tony und ich friedlich beisammen, aßen belegte Brote und beglückwünschten einander zu unserem frisch geputzten Haus. Außerdem hatten wir alle Geschenke ordentlich mit dem Namen versehen, den Christbaumschmuck bereitgelegt, die Girlanden aufgehängt und alles, was noch zu tun war, vorbereitet. Der Truthahn wurde herrlich goldbraun im Ofen. Tony hatte die Gabe, ausdauernd und ruhig zu arbeiten, und mir wurde klar, was für ein Segen sie für Tantchen war.
Natürlich unterhielten wir uns beim Essen über das Sportfest. Tony selbst brachte das Gespräch auf Colin Manson: »Was für ein hübsches Mädchen er da erwischt hat. Kein Wunder, daß er mit sich zufrieden ist. Es wäre nett, wenn sie heiraten würden, und sie hierher käme. O nein, Susan, ich traure ihm nicht nach.«
»Das brauchst du auch nicht. Für dich interessieren sich noch genügend andere.«
»Aber ich will nur flüchtige Bekanntschaften, nichts Ernsthaftes, noch lange nicht.«
»Gut. Dann ist alles in Ordnung. Ursula geht, Colin hat sich gebunden, und du bist glücklich.«
»Ja, aber es ist schade, daß Ursula uns so verläßt. Du weißt, daß ich sie noch nie leiden konnte, aber ich hasse es, wenn sich jemand blamiert. Aber vielleicht merken das Leute wie Ursula gar nicht, oder sie vergessen es sofort wieder.«
»Bis morgen hat sie sich bestimmt erholt. Ich hoffe es jedenfalls. Wir haben dann unsere Gedanken bestimmt woanders.«
Tony lachte. »Euer stilles Weihnachtsfest, und jetzt seid ihr bei einer riesigen Einladung angelangt, habt mehr Geschenke als jemals zuvor verschickt und müßt ein komplettes Festessen kochen.«
»Truthahn um zwölf. Genau das, was wir vermeiden wollten.« Daraus klang zwar nicht gerade die richtige Weihnachtsstimmung, aber wahrscheinlich fühlten viele Mütter in diesem Augenblick genau dasselbe.
Bald darauf kamen Paul und die Kinder zurück,
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