Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
sehr großzügig“, antwortete sie und beobachtete mich plötzlich wieder auf diese lauernde Weise. Dachte sie, ich würde sie kidnappen und dann mit dem Auto verschwinden? Ich nickte gleichmütig und nuschelte etwas von guten Arbeitsbedingungen, während Linda einstieg, nervös, angespannt, und ohne einen weiteren Ton von sich zu geben. Eine seltsame Atmosphäre breitete sich aus.
„Meine Güte, Chirelle,“ dachte ich, als ich mich neben die schlagartig verstummte Linda setzte, „worauf hast du dich da bloß wieder eingelassen?“
Als Linda den Sunset Boulevard entlang fuhr, Richtung Dreieck Beverley Hills, Holmby Hills und Bel Air, dort, wo all die Reichen und Schönen ihre Villen hatten, wurde mir etwas mulmig in der Magengegend. Ein riesiges Tor tauchte vor uns auf, mit Wachposten davor. Solche Sicherheitsmaßnahmen waren in noblen Gegenden zwar sehr üblich, doch hier standen alleine schon vier bullige Typen in Uniform und Sonnenbrillen vor dem Tor. Aber nicht nur Wachposten standen hier. Menschen aller Couleur waren versammelt, die zu kreischen anfingen, als das Auto sich näherte, die irgendetwas brüllten und auf den Wagen zustürmten, um dann, nachdem sie die Insassen gecheckt hatten, enttäuscht abzudrehen. Mit großen Augen starrte ich durch die Scheiben, während das Tor sich öffnete und Linda langsam hindurch fuhr. Geräuschlos schlossen sich die gewaltigen Eisentüren und blendeten, obwohl das Haus von beiden Seiten von Straßen gesäumt war, jeglichen Lärm aus.
Die Augen stur geradeaus gerichtet, rollte Linda auf den Eingang zu. Ich registrierte seitlich einen Swimmingpool, Liegen drum herum, alten Baumbestand...eine wunderschöne, große Parkanlage, doch viel Zeit hatte ich nicht, mir darüber Gedanken zu machen. Wir waren am Haus angekommen, das mich in seiner Größe schier umwarf.
Ich konnte nichts sagen. Ich gaffte nur. War ja eh meine Lieblingsbeschäftigung. Und ich kam voll auf meine Kosten.
Linda stellte den Motor ab. Beide Hände fest um das Lenkrad geklammert, fokussierte sich ihr Blick ein paar Sekunden auf das Armaturenbrett, bevor sie den Kopf wandte und mich mit einem durchbohrenden Blick ansah. Eine Ahnung, die mir den Magen verknotete, stieg in mir hoch.
„Linda“, sagte ich und drehte mich auf dem Sitz zu ihr hin, „wie, sagten Sie, heißt Ihr Arbeitgeber?“
„Mr. J.“, antwortete sie und ließ mich nicht aus den Augen. Fetzen unseres Gespräches rasten durch mein Hirn...drei Kinder...er sei so dünn und werde immer dünner...
„Äh...Mr. J.“, nickte ich und rieb mir das Ohr, „ähm...J...für...Jackson...ich meine...der Jackson?“
Linda sagte nichts.
„Oh, Gott, nein“, krächzte ich. „Das ist nicht wahr, oder?“
„Doch“, erwiderte sie endlich, „ich schätze, es ist wahr. Und ich hoffe, Sie können damit umgehen. Wir sind hier bei Mr. Michael Jackson.“
Völlig desorientiert und mit leerem Hirn stolperte ich, Apfeltüten und Rucksack bepackt, Linda hinterher. Wohin, auch immer.
***
Zwei Minuten später fand ich mich auf der Gästetoilette wieder. Ich brauchte eine Auszeit in meiner Auszeit. Linda hatte Verständnis. Mach langsam, hatte sie gesagt und mir die Restrooms gezeigt. Und nun saß ich hier und versuchte mich zu fassen. Oder besser gesagt, versuchte zu erfassen, was das hier eigentlich war. Aber damals...damals wusste ich rein gar nichts. Von Erfassen konnte keine Rede sein. In diesen Sekunden registrierte ich nur, dass ich auf einem Klodeckel im derzeitigen Domizil von Michael Jackson saß.
Ich bin über 40 und nicht der Typ, der sich für Celebritys interessiert. Im Flugzeug schnappe ich mir mal ab und an eine Boulevardzeitung, nur um festzustellen, dass ich die meisten, die da abgelichtet sind, gar nicht kenne. Aber Michael Jackson kannte jeder. Sogar ich. Nein, natürlich hatte ich seine Laufbahn nicht verfolgt. Warum auch? Ich mochte ein paar seiner Songs. Ich fand ihn ...wie fand ich ihn eigentlich? Ich fürchte, auch darüber hatte ich keine echte Meinung.
Wäre ich spontan nach ihm befragt worden, hätte ich wohl gesagt: „Ich finde ihn süß. Ich mag seine Augen. Ich mag, wie er lacht.”
Vielleicht hätte ich in meinem Gedächtnis gekramt und folgende Schlagzeilen gefunden:
Michael Jackson schläft in einem Sauerstoffzelt, kauft die Knochen des Elefantenmenschen, gibt kaum Interviews und wird mit den Jahren immer seltsamer. Er hat sich unzählige Male das Gesicht operieren lassen, einen Affen als Freund und...ja, da war
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