TS 01: Attentat auf Sol
Blick glitt forschend über die Reihen der Zuhörer, als suche er jemand, obwohl das ein aussichtsloses Beginnen gewesen wäre. Dann winkte er Kubanow, zu ihm aufs Podium zu kommen. Als der Russe neben ihm stand, sprach er wieder ins Mikrophon, so daß jeder seine Worte vernehmen konnte:
„Die Veränderungen auf der Sonne wurden vor einem knappen Jahr und überall auf der Welt beobachtet. Seit einem Jahr also steht die Sonne unter schärfster Bewachung, wenn ich mal so sagen darf, aber es blieb unmöglich, die Ursachen der Veränderungen zu erkennen. Was im vergangenen Jahr nicht gelang, wird also auch im kommenden nicht gelingen – wenigstens nicht mit der gleichen Methode. Wir müssen aber die Ursache einer Katastrophe, die sich anbahnt, kennen, um sie verhindern zu können. Und das Verhindern dieser Katastrophe dürfte wohl lebenswichtig sein, denn wenn sie eintritt, ist die Erde die längste Zeit ein bewohnter Planet gewesen.“
Zum ersten Male meldete sich einer der gebannten Zuhörer.
„Welche Mittel – außer den astronomischen – gibt es denn, die Sonne eingehender zu beobachten, um diese Ursachen herauszufinden?“
Harrel flüsterte mit Kubanow, der freudig nickte. Scheinbar war man sich schon über einen Weg einig. Der Engländer sagte laut:
„Selbst das größte Spiegelteleskop der Welt und die besten Televisionsteleskope vermögen nicht, uns die Natur des begonnenen atomaren Zerfallprozesses zu enthüllen. Wir müssen also näher an die Sonne herankommen. Unsere Station auf dem Mond hat den Auftrag, sich ebenfalls eingehend um die Sonnenbeobachtung zu kümmern; aber trotz der guten Möglichkeiten auf dem atmosphärelosen Mond war das Ergebnis bisher negativ. Leider ist die Mondstation noch primitiv eingerichtet, da erst drei Flüge von der Erde zum Mond stattgefunden haben. Ein Observatorium wurde eingerichtet, einige Labors und ein kleines Bergwerk zur Erforschung der Bodenschätze. Man arbeitet meist mit Strahlen, aber direkte Untersuchung hat sich als das sicherste Mittel erwiesen.
Was uns jedoch besonders interessiert, ist die Tatsache, daß bereits beim zweiten Flug zum Mond die Verstrebungen und rohen Innenteile eines dritten Schiffes mitgenommen wurden. Der dritte Flug brachte die Antriebsvorrichtung und die elektronische Ausstattung auf den Mond. Die folgende Expedition soll den Rest bringen. Mit anderen Worten: auf dem Mond wird ein Raumschiff gebaut, das in einem Jahr zu unserem Nachbarplaneten Mars starten und diesen umkreisen soll. Eine eventuelle Landung erfolgt mit einem Spezialboot von geringer Größe.
Sie werden sich fragen, warum ich Ihnen dies alles erzähle, denn es wird Ihnen ja alles zur Genüge bekannt sein. Um so besser, meine Herren. Je weniger Schwierigkeiten sich uns entgegenstellen, um so leichter wird es uns sein, die Erde zu retten.
Ich möchte Sie alle bitten, mich und den Kollegen Kubanow in unseren Bemühungen zu unterstützen, die Astronautische Vereinigung der Erde davon zu überzeugen, daß das Marsschiff noch im Laufe eines Jahres vollendet und startbereit sein muß.
Um die Gefahr einer Verzögerung zu vermeiden, habe ich das leitende Mitglied dieser uns verwandten Vereinigung gebeten, heute zu uns zu kommen. Herr Doktor Herber wird so freundlich sein, nachdem er dieser Bitte gefolgt ist, zu mir ans Mikrophon zu kommen, damit wir in aller Öffentlichkeit die weiteren Schritte besprechen können. Leider steht uns kein Konferenzsaal zur Verfügung, somit müssen wir mit einem einfachen Vortragssaal zufrieden sein.
Darf ich also Doktor Herber bitten, zu uns zu kommen.“
Im Saal entstand eine leichte Unruhe. Man begann, miteinander zu flüstern und Vermutungen auszutauschen. Der erste Schock war überwunden, und die sichere Art der beiden Experten Harrel und Kubanow flößte Vertrauen ein, ob man wollte oder nicht. Man ahnte förmlich, daß die beiden Männer die Möglichkeit eines Auswegs kannten.
In der vordersten Reihe erhob sich ein Mann mit bereits grauen Schläfen und schritt ruhig die wenigen Stufen zum Podium hinauf. Vor Harrel und Kubanow blieb er stehen, machte die Andeutung einer Verbeugung und wiederholte diese dann in Richtung des Auditoriums.
Harrel rückte die Mikrophone zurecht, so daß jeder im Saal die nun folgende Unterhaltung deutlich zu hören vermochte.
„Ich freue mich sehr, daß Sie gekommen sind, Doktor Herber“, begann er und erwiderte den Händedruck des andern. „Ich nehme an, Sie sind über die bisherigen Beobachtungen
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