TS 15: Der Unheimliche
in der Zeitung gelesen, daß die Marine ein Unterseeboot baut, das mit Atomkraft angetrieben werden soll?“
Paul nickte. „Sie wollen mit ihm unter dem Eis des Nordpols durchtauchen. In White Sands bauen sie sich etwas noch Interessanteres. Ich sah es mit den Augen eines unserer Agenten. Eine Mondrakete, in der sie Ratten und Mäuse mitfliegen lassen wollen. Der erste Schritt ins Weltall wird jedoch den Russen gelingen. Ihr Sputnik ist so gut wie fertiggestellt.“
„Was ist ein Sputnik, Paul?“
„Ein kleiner künstlicher Mond, der die Erde umkreisen soll.“
„Wozu wäre ein solcher Mond nütze, Paul?“
„Der erste Sputnik ist nur für Forschungszwecke gedacht. Er soll Meßergebnisse zur Erde zurückfunken. Spätere, größere Satelliten werden als Absprungbasis für Raumschiffe dienen, und man wird von ihnen aus jeden Punkt der Erde überwachen können.“
„Auch meine Insel?“
„Ja, auch deine Insel.“ Er griff nach ihrer Hand. „Wie ist sie – deine Heimat?“
„Schau doch, Paul. Meine Gedanken stehen dir offen.“
Wie in einem Technicolorfilm hob sich aus dem tiefblauen Meer eine winzige grüne Insel mit einem Strand, so weiß und leuchtend, daß die Augen schmerzten. Ein Fleckchen Erde von unendlichem Frieden, nicht größer als ein paar Quadratmeilen, weit abgelegen von allen Schiffahrtswegen. Das schilfgedeckte Haus im Eingeborenenstil stand in einem kleinen Palmenhain. Ein halbwilder Garten, ein paar Kühe, ein paar Schafe. Es gab keine einzige gepflasterte Straße auf der Insel, kein Telefon und keine Wasserleitungen, nur Brunnen mit Handpumpen und das bißchen Elektrizität, das jede Familie für sich selbst erzeugte. Die einzigen anderen Bewohner der Insel waren Nachkommen von Sklaven, Afrikaner, die sich als Fischer, Bootsbauer und Matrosen ihren Lebensunterhalt verdienten.
„Ist es dir zu primitiv?“
„So herrlich primitiv“, antwortete er sofort, „daß ich alles dafür hergeben würde!“ Er sah sie an und lächelte. „Beinahe alles.“
*
Erst die Weihnachtsfeiertage brachten Paul eine kurze Ruhepause. Er stand jetzt mit siebzig Agenten in telepathischer Verbindung und warnte General Boggs, daß damit die äußerste Grenze seiner Leistungsfähigkeit erreicht sei. Er unterstrich diese Warnung, indem er tagelang über einige der Agenten unzureichend oder überhaupt nicht berichtete. Mitten in einer Sitzung entschuldigte er sich mit heftigen Kopfschmerzen und verließ den Raum. General Boggs fürchtete, daß ein neuer Rückfall eintreten könnte, und lockerte den Druck ein wenig. Dem größten Teil des Hauspersonals wurde Weihnachtsurlaub gewährt; auch Martha, als sie darum bat. In Anbetracht ihrer engen Verbundenheit mit Paul wurden ihr, bevor sie abreiste, noch einmal die Sicherheitsvorschriften eingeschärft, und ein Agent erhielt den Auftrag, ihr auf Schritt und Tritt zu folgen.
„Sei auf der Hut!“ sandte Paul ihr in Gedanken nach. „Alles, was du sagst und tust, wird Boggs und Slater gemeldet.“ Er stand hinter einem Fenster des dritten Stocks und sah ihrem Wagen nach, bis er zum Tor hinausfuhr und hinter den Fichten verschwand.
Martha lehnte sich auf ihrem Sitz zurück und sandte in Gedanken zu Paul zurück: „Ich werde gut auf mich achtgeben, Liebling. Um den Schein zu wahren, fliege ich von Washington für ein paar Tage nach Savannah. Ich komme bald zurück. Wir sehen uns am Weihnachtsabend.“
*
Es versprach, eine ruhige und kalte Weihnacht zu werden. Erst gegen Mittag war eine bleiche Sonne erschienen und hatte die Kälte nicht zu lindern vermocht. Unter den Fichten, draußen vor der Mauer, stapften die Posten frierend und fluchend durch den knirschenden Schnee.
Paul ging in dem großen, leeren Haus herum und sagte zu allen, die zurückgeblieben waren, „Guten Abend“ und „Frohe Weihnachten“. Er entdeckte den Mann, den er suchte, unten im Speisesaal.
„Haben Sie es?“ fragte er den Agenten, von dem er wußte, daß er von Slater den Auftrag hatte, das Personal und ihn selbst zu überwachen.
„Ja, hier.“ Der Agent hielt ihm ein kleines Päckchen hin. „Und alles Gute und viel Glück.“
„Danke. Vielen Dank für beides.“
Daß er das Päckchen erhielt, bedeutete, daß Slater seine Zustimmung gegeben hatte. Paul öffnete es, nahm den Verlobungsring heraus und drehte ihn spielerisch zwischen den Fingern. „Ich glaube, er wird ihr gefallen.“
Martha kam erst am späten Nachmittag. Paul folgte ihr mit seinen Gedanken
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