TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1
trüben venusischen Himmel und schickte fahles Licht in die Kuppel, ehe sie wieder im Dunst verschwand. Hale blickte hoch und verzog das Gesicht, als er sich an die weit zurückliegenden Streifzüge unter freiem Himmel erinnerte.
In einiger Entfernung jätete ein Mann im braunen Arbeitsanzug Unkraut in einem hydroponischen Tank. Er schwang seine Hacke mit den ruhigen, abgezirkelten Bewegungen eines Gärtners, der seine Arbeit kennt und mit Vergnügen verrichtet. Als Hale neben ihm stehenblieb, hob er den Kopf. Der Gouverneur blickte in ein hageres Gesicht.
„Haben Sie einen Augenblick Zeit?“ fragte er.
Der Mann grinste.
„Ich habe mehr Zeit als die meisten Leute“, versetzte er. „Was gibt’s?“
Hale stellte einen Fuß auf den Tankrand und schlang die Arme um sein Knie. Sein Gegenüber stützte sich auf seine Hacke. Eine Weile blickten sich die beiden Männer schweigend an, und das leise Lächeln auf ihren Gesichtern verriet, wieviel sie miteinander gemein hatten.
Der Logiker erinnerte sich als einziger an die Aufeinanderfolge von Tag und Nacht, Sonne und Mond, Ebbe und Flut. Er allein kannte eine Welt, deren Boden nicht der unbarmherzige Gegner des Menschen war, der ihn nicht mit Schwämmen, Bakterien, Insekten und winzigen Geschöpfen bedrohte, die nur darauf warteten, vom eindringenden Spaten ans Tageslicht befördert zu werden und ihr mörderisches Werk zu verrichten. Der Logiker war denn auch der einzige, der den Boden des Dschungels ins Herz geschlossen hatte und seine Hacke mit gemächlicher Freude an der Arbeit schwang.
Als Hale vor einigen Wochen denselben Pfad entlanggewandert war und die Gestalt zu erkennen glaubte, die an einem der Tanks mit gereinigter Dschungelerde arbeitete, hatte ihn der Anblick kaum überrascht. Als er den Tank erreichte, hatte der Mann sich aufgerichtet und ihn mit einem spöttischen Blick gemustert.
„Sind Sie nicht …“, hatte Hale zögernd angesetzt.
„Aber sicher.“ Der Logiker grinste. „Ich wäre schon wesentlich früher hier aufgetaucht, aber ich hatte bis jetzt zu tun. Na, Hale, wie schreitet Ihr Werk voran?“
Hale hatte mit einem unfeinen Ausdruck geantwortet.
Der Logiker lachte.
„Ich habe schon auf der Erde als Farmer den Boden umgewühlt, und jetzt hat’s mich gejuckt, bis ich mich wieder darin versucht hatte“, erklärte er. „Das war einer der Gründe, deretwegen ich hierherkam. Ich habe mich sogar unter meinem eigenen Namen freiwillig gemeldet. Hat Ihnen der nicht ins Auge gestochen?“
Hale mußte verneinen. Seit er im Tempel der Wahrheit gestanden und der Stimme dieses Mannes gelauscht hatte, war vieles geschehen. Der Name Ben Crowell war ihm nicht aufgefallen, obwohl die Zahl der Freiwilligen so gering war, daß er eigentlich hätte imstande sein müssen, sie aus dem Gedächtnis herzusagen.
„Daß Sie der Kuppel den Rücken gekehrt haben, überrascht mich eigentlich nicht“, bemerkte er.
„Sie brauchen sich auch nicht zu wundern, Hale. Wir beide sind die einzigen, die sich noch an ein Leben unter freiem Himmel erinnern.“ Er schnüffelte die Luft ein und grinste dann zu der Imperviumkuppel hoch. „Und wir wissen auch als einzige, daß das hier kein freier Himmel ist. Haben Sie eigentlich noch andere Überlebende der Freien Trupps aufgetrieben?“
Hale schüttelte den Kopf.
„Ich bin der letzte.“
„Na, ich werde jedenfalls noch eine Weile hierbleiben.“ Crowell köpfte einen Ausläufer mit der Hacke. „Allerdings inoffiziell. Irgendwelche Fragen kann ich Ihnen nicht beantworten.“
„Das haben Sie im Tempel auch nicht getan“, versetzte Hale. „In den letzten vierzig Jahren habe ich Sie mindestens ein dutzendmal aufgesucht, und immer haben Sie sich geweigert, mich anzuhören.“ Eine unbegründete Hoffnung überfiel ihn, und er fragte hastig: „Warum sind Sie jetzt hergekommen? Wird sich etwas ereignen?“
„Vielleicht.“ Crowell betrachtete seine Hacke. „Irgend etwas ereignet sich gewöhnlich immer früher oder später. Man braucht nur lange genug zu warten.“
Mehr hatte Hale nicht aus ihm herausbekommen.
An diese Unterhaltung dachte er jetzt zurück, als er dem Logiker berichtete, was sich eben abgespielt hatte.
„Sind Sie deshalb hergekommen?“ forschte er zuletzt. „Haben Sie das vorausgesehen?“
„Hale, ich kann dazu nichts sagen.“
„Wußten Sie es denn nicht?“
„Das hat nichts damit zu tun. Vergessen Sie nicht, daß jede Fähigkeit unvollkommen ausgeprägt ist. Ich bin weniger
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