TS 62: Das Rätsel der Venus
überzeugte sich, daß das Netz geschlossen und fest an seinem Gürtel verankert war.
„Wenn ich das hier überstehe, kommst du mit mir nach Vhia. Wenn ich sterbe – nun, dann wirst du niemand mehr verletzen können. Dann wird es einen Teufel weniger auf der Venus geben.“
Frei! Frei! Frei! Ich muß frei sein! Diese Last …
„Natürlich. Frei, damit du Leute wie Farrell zum Wahnsinn treiben kannst, bis sie ihre Frauen und Kinder verlassen. Frei, damit du morden kannst …“ Er sah das Netz finster an. „Jackie Smith war mein Freund. Meinst du, ich würde dich freilassen? Meinst du, daß es irgend etwas gibt was mich dazu bringen könnte?“
Und dann sah er SIE.
Durch das Netz, als wäre das Metallgewebe plötzlich durchsichtig geworden. SIE kauerte an seiner Hüfte, ein winziges Etwas, kaum dreißig Zentimeter groß.
5.
Lundy brach der Schweiß aus. Er drückte die Augen zu. Aber das änderte nichts daran. Er sah SIE. Er konnte nicht umhin. SIE zu sehen Er versuchte, dagegen anzukämpfen, aber er war müde …
Das Haar, das SIE einhüllte, war schwarz wie die Nacht des Alls, schwarz wie ein Traum.
SIE hob langsam den Kopf und teilte den schwarzen Schleier ihres Haares mit den Händen. Ihre Augen waren überschattet, von schweren dunklen Lidern bedeckt. SIE hob die Hände zu Lundy wie ein Kind, das betet.
Aber SIE war kein Kind. SIE war eine Frau, so schön, daß Lundy vor Erregung zitterte.
„Nein“, sagte er heiser. „Nein, nein.“
SIE hob die Arme in einer flehenden Geste und verharrte reglos in dieser Pose.
Lundy riß das Netz vom Gürtel und warf es auf den Altarblock. Er stand auf und taumelte zur Tür, aber die Bestien warteten immer noch. Dann setzte er sich wieder und nahm etwas Benzedrin.
Das war falsch. Er hatte die Grenze seiner Leistungsfähigkeit erreicht, und die Droge machte ihn schwindlig. Er konnte nicht gegen SIE ankämpfen, konnte SIE nicht aus seinem Denken verbannen. SIE kniete auf dem Altar, die Hände zu ihm ausgestreckt.
„Mache die Augen auf“, sagte er. „Mache die Augen auf und sieh mich an.“
Laß mich frei. Laß mich frei.
Um Lundy wurde es Nacht. Plötzlich ertappte er sich dabei, wie er vor dem Altarblock kniete und an dem Netz hantierte.
Er riß sich zurück und stolperte wieder in seine Ecke. Er zitterte jetzt am ganzen Leibe wie ein verängstigter Hund.
„Warum tust du es? Warum mußt du mich quälen – sie verrückt machen vor Gier nach etwas, was sie doch nicht haben können – sie töten?“
Quälen? Verrückt? Morden? Das verstehe ich nickt. Sie verehren mich. Es ist angenehm, angebetet und verehrt zu werden.
„Angenehm?“ schrie Lundy laut und merkte es gar nicht. „Angenehm! Und dafür bringst du einen anständigen Burschen wie Farrell um und ertränkst Jackie Smith …“
Mordest? Warte – das mußt du noch einmal denken.
Lundy wiederholte den Gedanken. Tod, Schweigen. Finsternis.
Die winzige schimmernde Gestalt auf dem schwarzen Stein kauerte sich zusammen. Plötzlich ging eine Welle von Trauer von ihr aus.
Das werde ich auch bald sein. Wir alle. Warum hat uns dieser Planet aus dem Weltraum gerissen? Das Gewicht, der Druck – das belastet uns, und dabei waren wir im Raum unsterblich. Jetzt müssen wir sterben …
Lundy stand ganz still. Das Blut pochte wie eine Trommel in seinen Schläfen.
„Du willst sagen, daß ihr alle sterbt, ihr Geschöpfe aus dem Weltraum? Daß der – der Wahnsinn von selbst aufhören wird?“
Bald. Sehr bald. Im Weltraum gab es keinen Tod. Keinen Schmerz. Wir wußten gar nicht, daß es so etwas gibt. Alles hier war neu für uns, und wir mußten es erleben, damit spielen. Wir wußten nicht …
Lundy blickte auf. „Dir gefällt es, wenn man dich anbetet“, flüsterte er. „Möchtest du verehrt werden, wenn du einmal tot bist? Möchtest du. daß man sich an dich erinnert – an etwas Gutes und Schönes …?“
Das wäre besser, als vergessen zu werden.
„Willst du dann tun, worum ich dich bitte? Du kannst mir das Leben retten, wenn du das tust. Und vielen von diesen kleinen Blumenmenschen auch. Ich werde dafür sorgen, daß alle die Wahrheit über dich erfahren. Jetzt haßt und fürchtet man dich, aber dann wird man dich lieben.“
Wirst du mich aus diesem Netz freilassen?
„Wenn du versprichst, das zu tun, worum ich dich bitte.“
Wenn ich nicht aus diesem Netz freikomme, würde ich lieber sterben.
Die winzige Frauengestalt zitterte und schüttelte ihre schwarze Mähne.
Schnell. Ich
Weitere Kostenlose Bücher