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TS 62: Das Rätsel der Venus

TS 62: Das Rätsel der Venus

Titel: TS 62: Das Rätsel der Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald A. (Hrsg.) Wollheim
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spüren, daß der Boden unter seinen Füßen schwach zitterte. Vielleicht eine vulkanische Spalte, die sich geöffnet hatte.
    Das goldene Licht veränderte die Stadt vollkommen. Das Wolkenkuckucksheim war plötzlich ganz real geworden – ein Ort, den man betreten, den man befühlen konnte.
    Als er durch das Tor eintrat, war er von einer gewissen Ehrfurcht erfüllt – nicht mehr von Angst. Und dann, als er auf dem weiten freien Platz stand und zu den hohen Gebäuden aufblickte, schwebte aus der Wolke von Frauengestalten ein Gedanke zu ihm herunter.
    „Es war ungefährlich – ehe SIE kam.“
    Nach einer langen Pause fragte Lundy. „Sie?“
    „Wir haben sie nicht gesehen. Aber unsere Männer haben sie erblickt. Sie kam vor kurzem und ging durch die Straßen, und alle unsere Männer haben uns verlassen, um ihr zu folgen. Sie sagen, sie sei tausendmal schöner als wir, und …“
    „Und ihre Augen sind verborgen, und sie müssen sie sehen. Sie müssen ihr in die Augen sehen, wollen sie nicht den Verstand verlieren, und deshalb sind sie ihr gefolgt.“
    Die blaugrüne Wolke regte sich im schwarzen Wasser. Goldene Augen blickten auf ihn herab.
    „Woher weißt du das? Folgst du ihr auch?“
    Lundy atmete tief und langsam ein. Seine Handflächen waren feucht. „Ja, ja, ich bin ihr auch gefolgt.“
    „Wir fühlen deine Gedanken …“ Sie senkten sich zu ihm herab.
    Ihre hauchzarten Membranen flatterten wie Engelsschwingen. Ihre goldenen Augen waren groß, weich und bittend.
    „Kannst du uns helfen? Kannst du uns unsere Männer unversehrt zurückbringen? Sie haben alles vergessen. Wenn die Anderen kommen sollten …“
    Die Anderen?
    Panische Angst erfüllte Lundy. Bilder drängten sich ihm auf. Ein Alptraum ungeheuren Ausmaßes …
    „Wenn sie kommen, reiten sie auf den Strömen zwischen den heißen Bergspalten und den kalten Tiefen. Sie fressen und zerstören.“ Plötzlich flatterten die kleinen Pflanzenwesen wie Blätter im Winde.
    „Wir verbergen uns in den Häusern vor ihnen. Wir können sie fernhalten, fern von unserer Brut und den Jungen. Aber unsere Männer haben das vergessen. Wenn die Anderen kommen, während sie draußen IHR folgen, werden sie alle getötet werden. Wir werden allein zurückbleiben, und unsere Art wird aussterben.“
    Sie drängten sich an ihn und berührten ihn mit ihren kleinen beinahe durchsichtigen Vordergliedern.
    „Kannst du uns helfen? Oh, kannst du uns helfen?“
    Lundy schloß die Augen. Sein Mund zuckte. Als er die Augen wieder aufschlug, schimmerten sie so kalt wie schwarzer Diamant.
    „Ich werde euch helfen“, sagte er entschlossen, „oder sterben.“
    Auf dem großen Platz war es finster, nur das bleiche Sandlicht strömte durch die Tore herein. Einen Augenblick war er von der ganzen Wolke der kleinen Frauengestalten umgeben. Sie regten sich nicht, nur die ganze Wolke schwebte im Rhythmus des Meeres auf und ab.
    Dann schossen sie plötzlich alle gleichzeitig davon, und Lundy blieb mit aufgerissenen Augen allein stehen.
    Jetzt waren sie nicht mehr blaugrün. Sie glühten plötzlich, und ihre Schwimmembranen und die schlanken Leiber schimmerten in einem weichen Grün, der Farbe des Lebens. Und sie blühten.
    Die langen schmalen Blütenblätter mußten vorher eingezogen gewesen sein, als sie noch blaugrün gewesen waren. Jetzt schimmerten sie wie Flammenkronen um ihre kleinen Köpfe.
    Blau und scharlachrot, violett und rot wie der Mohn, silberweiß und rosa wie eine Wolke im Sonnenlicht, so strömten sie in den schwarzen Fluten. Wie Schmetterlinge schwärmten sie in den Wellen Schmetterlinge, die vielleicht einst hier getanzt hatten, ehe die Sonne auf immer für sie verlosch.
    Und dann hörten sie ganz plötzlich auf und trieben reglos im Wasser. Ihre bunten Farben wurden stumpf.
    „Wo sind sie?“ fragte Lundy.
    „Tief im Inneren der Stadt – in den Straßen, wo sich nur hin und wieder neugierige Junge wagen. Oh, bring sie zurück! Bitte, bringe sie zurück!“
    Er ließ sie auf dem großen finsteren Platz allein und ging weiter in die Stadt hinein.
    Er schritt über breite gepflasterte Straßen, die von Wagenspuren durchzogen und von Generationen von Füßen ausgetreten waren. Die großen Gebäude ragten zu beiden Seiten im unregelmäßigen Licht der fernen Vulkanspalte.
    Die Fensteröffnungen, ein typischer Bestandteil der gesamten venusianischen Architektur, waren von Gittern aus Marmor und wertvollen Halbedelsteinen bedeckt. Die großen goldenen Tore standen offen.

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