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TS 75: Einzelgänger des Alls

TS 75: Einzelgänger des Alls

Titel: TS 75: Einzelgänger des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredric Brown
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Zigarettenpackung. Sie war ihm von einem gesprächigen Rauchwarenhändler gegeben worden, der neben ihm im Flugzeug gesessen hatte – als Gratisexemplar, als Werbung für eine neue Zigarettenmarke, die seine Gesellschaft unter die Leute bringen wollte. Nephtin war ein heißes Zeug; allein sein Besitz war ein Verbrechen. Es war eine abgekartete Sache gewesen, auf die er hereingefallen war.
    Nur eines stand noch offen, und zwar, ob sie ihm zwanzig Jahre Strafkolonie auf Callisto geben oder ihn zum Psycher schicken würden.
    Er saß auf der Pritsche in seiner Zelle und fragte sich, welches von beiden geschehen würde. Es machte einen gewaltigen Unterschied. Das Leben in der Strafkolonie mochte sich als besser erweisen als gar kein Leben, und es würde immer die Chance bestehen, und sei sie noch so klein, zu entfliehen. Aber der Gedanke an den Psycher war unerträglich. Er war fest entschlossen, sich umzubringen oder bei einem Fluchtversuch den Tod zu finden, bevor er zuließ, daß sie ihn zum Psycher schleppten.
    Dem Tod konnte man ins Auge sehen. Nicht aber dem Psycher. Der elektrische Stuhl – noch vor ein paar Jahrhunderten ein gebräuchliches Exekutionsmittel – hatte einen getötet; der Psycher aber – so dachte Crag – tat etwas weit Schrecklicheres. Er adjustierte einen, wenn man nicht gerade zu den Glücklichen zählte, die dabei in den Wahnsinn getrieben wurden. Von neun Behandelten wurde einer irrsinnig, was auch der Grund war, weshalb der Psycher nur in extremen Fällen herangezogen wurde, bei Verbrechen, die man früher mit dem Tode bestrafte. Und heute gehörte der Nephtinbesitz zu der gleichen Kategorie von Verbrechen.
    Arbeitete der Psycher planmäßig, so wurde man normal. Normal, indem alle Erinnerungen und Erlebnisse aus dem Geist gelöscht wurden, die dazu geführt hatten, daß man von der Norm abgewichen war. Alle Erinnerungen und Erlebnisse, sowohl die guten als auch die schlechten.
    Nach der Behandlung mußte man von Grund auf eine neue Persönlichkeit formen. Man erinnerte sich seiner Fähigkeiten; man wußte, wie man zu sprechen und zu essen hatte, und wenn man früher einen Rechenschieber benutzt oder Flöte gespielt hatte, so wußte man noch immer, wie man einen Rechenschieber benutzte oder Flöte spielte.
    Aber man erinnerte sich nicht an seinen Namen, außer er wurde einem mitgeteilt. Und man erinnerte sich nicht an die Zeit, als man drei Tage und drei Nächte lang auf der Venus lag, bevor die restliche Mannschaft einen fand und den Schlingen der seltsam belebten Pflanzen entriß, die es auf Fleisch jeglicher Art abgesehen hatten. Man erinnerte sich nicht an die Zeit, als die Raumkrankheit einen halb irrsinnig machte, oder an die Zeit, als man neun Tage ohne Wasser auskommen mußte. Man erinnerte sich an kein einziges Erlebnis.
    Man begann von vorne – als ein neuer Mensch.
    Doch während Crag dem Tod ins Auge zu sehen vermochte, konnte und würde er auch niemals den Gedanken ertragen können, daß sein Körper nach der Behandlung so einfach umherwandeln sollte, beseelt von einem schrecklich ausgeglichenen Fremden, dessen Wesen er zutiefst hassen würde. Wenn notwendig, würde er den Körper töten, den dieser in jeder Beziehung ausgeglichene Fremde übernehmen sollte.
    Er wußte, daß er dazu fähig war, aber es würde nicht leicht sein; die Waffe, die er mit sich führte, war für einen Selbstmord schlecht geeignet. Es gehörte allerhand Mut dazu, sich eigenhändig mit einem Knüppel zu erschlagen. Und sei es ein so wirksamer Knüppel wie Crags metallene linke Hand.
    Niemand, der seiner Hand ansichtig wurde, hatte auch nur geahnt, daß sie sechs Kilogramm wog. Das Metall war fleischfarben, und man mußte schon sehr genau hinblicken, um überhaupt zu bemerken, daß es eine künstliche Hand war. Und wenn dies jemand feststellte, so würde er annehmen, daß Crags Hand – wie alle anderen künstlichen Gliedmaßen – aus Duralloy oder etwas Ähnlichem bestand. Duralloy war kaum schwerer als Balsaholz. Und Crags Hand war aus Duralloy gefertigt – die ganze äußere Schicht –, doch was keiner wußte, war, daß sie durch Stahl verstärkt und ihr Inneres mit schwerem Blei ausgelegt wurde, vor vielen Jahren.
    Auch ahnte niemand, daß Crags Hand abnehmbar war. Kein Wunder, denn alle anderen künstlichen Hände – oder Füße, Arme und Beine – waren für immer durch einen chirurgischen Eingriff an deren Besitzer gebunden worden. Das war auch der Grund, weshalb sie ihm seine Hand nicht

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