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TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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sie wieder ins Blumenbeet geworfen.“ Er wandte sich zur Tür, und Miller sah sich ihm plötzlich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Blitzartig hatte er den Eindruck, daß der Junge ihm bekannt vorkam, sehr bekannt sogar – er spannte sich für das an, was nun kommen würde, und da blieb der Junge abrupt stehen.
    „He“, sagte der Junge. „Du hast mir aber einen Schrecken eingejagt“
    Die Frau blickte schnell zu Miller auf. „Was tust du denn dort draußen, George?“ fragte sie. „Komm herein und trink deinen Kaffee aus.“
    Miller trat langsam in die Küche. Die Frau leerte gerade ihre Tasse; die beiden Jungen waren aufgestanden und drückten sich um ihn herum.
    „Hast du nicht gesagt, daß ich über das Wochenende mit der Gruppe aus der Schule am Russian River zelten darf?“ fragte Don. „Du hast gesagt, ich dürfte mir einen Schlafsack von der Turnhalle ausborgen.“
    „Hmhm“, murmelte Miller unsicher. Don, so hieß der Junge, und sein Bruder hieß Ted. Aber woher wußte er das? Die Frau war vom Tisch aufgestanden und sammelte jetzt die Teller ein, um sie zum Spültisch zu tragen.
    „Sie haben gesagt, du hättest es ihnen schon versprochen“, sagte sie über die Schulter hinweg. Die Teller klapperten im Spülbecken, und sie begann, Seifenflocken darüber zu streuen.
    „Aber du weißt ja noch, wie es damals war, als sie sagten, du hättest ihnen versprochen, sie dürften den Wagen benutzen. Ich hatte geglaubt, du hättest es wirklich erlaubt – und dann stimmte es nicht.“
    Miller sank auf einen Stuhl. Er spielte an seiner Pfeife herum. Dann legte er sie in den Aschenbecher und untersuchte seinen Jackettärmel. Was ging hier vor? Sein Kopf schien sich zu drehen. Er stand abrupt wieder auf und eilte ans Fenster.
    Häuser, Straßen, die fernen Berge. Der Anblick und die Geräusche von Menschen. Die dreidimensionale Kulisse war ungeheuer überzeugend; oder war es gar keine Kulisse? Wie konnte er das sicher wissen?
    Was geschah hier?
    „George, was ist denn los?“ fragte Marjorie und band sich eine Plastikschürze um. Sie ließ heißes Wasser in das Spülbecken.
    „Du holst jetzt am besten deinen Wagen heraus und fährst zur Arbeit. Hast du nicht gestern abend gesagt, der alte Davidson beklagte sich über seine Leute, die immer zu spät kämen?“
    Davidson. Das Wort blieb in Millers Gehirn hängen. Er kannte es natürlich. Er verband ein ganz deutliches Bild damit: ein hochgewachsener, weißhaariger, alter Mann, schmal und streng. Weste und Taschenuhr. Und das ganze Büro, United Electronics Supply, das zwölfstöckige Gebäude in der City von San Franzisko. Der Zeitungsstand in der Halle. Und die hupenden Autos. Überfüllte Parkplätze. Der Lift, vollgepfropft mit Sekretärinnen, die wie ein ganzer Parfümladen rochen.
    Er schlenderte aus der Küche durch den Gang und sein Schlafzimmer ins Wohnzimmer. Die Tür stand offen. Er trat auf die Veranda hinaus.
    Die Luft war kühl und frisch. Es war ein Aprilmorgen. Der Rasen war noch feucht. Autos fuhren die Virginia Street zur ShadduckAvenue hinunter. Der frühe Morgenverkehr, Geschäftsleute, die zur Arbeit fuhren. Auf der anderen Straßenseite winkte ihm Earl Kelly freundlich mit seiner Zeitung zu, als er zur Omnibushaltestelle eilte.
    Weit in der Ferne konnte Miller die Bay Bridge, Yerba Buena Island und Treasure Island sehen. Dahinter lag San Franzisko selbst. In ein paar Minuten würde er mit seinem Buick auf dem Weg ins Büro über die Brücke fahren. Er selbst und Tausende von anderen Geschäftsleuten wie er, in blauen Anzügen mit Nadelstreifen.
    Ted schob sich an ihm vorbei. „Dann bist du also einverstanden? Es ist dir recht, wenn wir Zelten gehen?“
    Miller fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
    „Ted, hör mir zu. Da ist etwas Eigenartiges …“
    „Was denn?“
    „Ich weiß nicht.“ Miller ging ruhelos auf der Terrasse auf und ab. „Heute ist doch Freitag, nicht wahr?“
    „Klar.“
    „Ja, ich habe es mir schon gedacht.“ Aber woher wußte er denn, daß Freitag war? Woher wußte er überhaupt etwas? Aber natürlich war Freitag. Eine lange, schwere Woche – der alte Davidson hatte es ihm nicht leichtgemacht. Besonders am Mittwoch, als der General Electric-Auftrag wegen eines Streiks aufgehalten wurde.
    „Ich möchte dich etwas fragen“, sagte Miller zu seinem siebzehnjährigen Sohn. „Heute morgen – ich bin doch aus der Küche gegangen, um die Zeitung zu holen.“
    Ted nickte. „Hmhm. Und?“
    „Ich

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