TS 87: Der kleine Fuzzy
das sind meine Fuzzys, und ich habe mir ihretwegen schon Sorgen gemacht. Sie heißen Komplex, Syndrom, Id und Super-Ego.“
„Ihre Fuzzys, Leutnant?“
„Nun, ich habe mich um sie gekümmert und mit ihnen gearbeitet; Juan Jimenez und ein paar Tierfänger der Gesellschaft fingen sie auf dem Betakontinent. Man hielt sie auf einer Farm etwa fünfhundert Meilen nördlich von hier. Ich habe die ganze Zeit mit ihnen gearbeitet, und Dr. Mallin war auch meistens dort. Und dann kam am Montag abend Mr. Coombes und holte sie.“
„Mr. Coombes sagten Sie?“ fragte Gus Brannhard.
„Mr. Leslie Coombes, der Generalanwalt der Gesellschaft. Er sagte, die Fuzzys würden in Mallorys Port gebraucht. Erst am nächsten Tag erfuhr ich, wozu man sie gebraucht hatte. Man hatte sie kurz vor der Fuzzyjagd freigelassen, in der Hoffnung, daß sie dabei umkommen würden.“
Sie blickte zu Coombes hinüber; wenn Blicke töten könnten, wäre er jetzt ebenso tot wie Kurt Borch gewesen.
„Die hätten also vier Fuzzys geopfert, nur um eine Geschichte zu belegen, die sowieso auffliegen mußte?“ fragte Brannhard.
„Das war kein Opfer. Sie mußten diese Fuzzys loswerden und hatten Angst, sie selbst zu töten, da sie fürchteten, dann am Ende genauso wie Leonard Kellogg unter Mordanklage gestellt zu werden. Jeder einzelne, der mit ihnen zu tun hatte, von Ernst Mallin bis zum kleinsten Laboranten war nämlich davon überzeugt, daß es sich um intelligente Wesen handelte.“
Pendarvis dankte ihr mit einem Kopfnicken und blickte dann auf. „Ich hätte jetzt gerne Dr. Ernst Mallin gehört.“
Wieder sprang Coombes auf. „Euer Ehren, ich möchte vor weiteren Aussagen allein mit meinem Mandanten sprechen.“
„Ich sehe keinen Grund, weshalb wir dazu die Verhandlung unterbrechen sollten, Mr. Coombes. Sie können sich nachher mit Mr. Mallin unterhalten, solange Sie wollen.“ Pendarvis klopfte mit dem Hammer auf den Tisch und sagte: „Dr. Ernst Mallin, darf ich Sie in den Zeugenstand bitten?“
15.
Ernst Mallin schrumpfte zusammen, als wollte er sich verkriechen. Er wollte nicht aussagen. Diesen Augenblick fürchtete er seit Tagen. Jetzt würde er sich auf diesen Stuhl setzen müssen, und sie würden ihm Fragen stellen, und er konnte sie nicht der Wahrheit nach beantworten, und dieser Bildschirm über seinem Kopf –
Als der Gerichtsbeamte ihn an der Schulter berührte, glaubte er zuerst, seine Beine müßten ihm den Dienst versagen. Der Weg zum Zeugenstuhl kam ihm meilenlang vor. Aber irgendwie erreichte er den Stuhl und setzte sich, und dann stülpten sie ihm den Helm über den Kopf und befestigten die Elektroden. Früher hatte man Zeugen einmal einen Eid abgenommen, wonach sie sich verpflichteten, die Wahrheit zu sagen. Das war heute nicht mehr üblich. Es war auch nicht mehr nötig.
Der Bildschirm blieb blau, während er seinen Namen angab und über seinen beruflichen Werdegang berichtete. Einmal flackerte ein rotes Muster über den Schirm, als er eine Veröffentlichung erwähnte – die Arbeit war ausschließlich von einem seiner Studenten gefertigt, und er hatte sie nur unter seinem Namen herausgegeben. Das hatte er vergessen, aber sein Gewissen wußte es sehr wohl.
„Dr. Mallin“, sagte der älteste der drei Richter, der in der Mitte saß, „worin besteht nach Ihrer fachlichen Meinung der Unterschied zwischen intelligentem und nichtintelligentem Denken?“
„In der Fähigkeit, bewußt zu denken“, erklärte er. Der Bildschirm blieb blau.
„Meinen Sie damit, daß nichtintelligente Wesen kein Bewußtsein haben, oder meinen Sie, daß sie nicht denken?“
„Nun, keines von beiden. Jedes Lebewesen mit einem Zentralnervensystem besitzt irgendeine Art von Bewußtsein – das Bewußtsein seiner Existenz und seiner Umgebung. Und jedes Wesen mit einem Gehirn denkt, um den Ausdruck einmal laienhaft zu benutzen.
Was ich meine, ist, daß nur ein intelligenter Verstand denkt und auch weiß, daß er denkt .“
Bis jetzt bestand noch keine Gefahr. Er sprach über Sinnesreize und Reflexe, wobei er bis in das erste präatomare Jahrhundert zurückgriff und Pavlov und Korzybski und Freud erwähnte. Der Bildschirm blieb blau.
„Wichtig ist außerdem, daß ein intelligenter Verstand zu generalisieren vermag, also von speziellen Dingen auf allgemeine Prinzipien schließen kann. Für nicht vernunftbegabte Wesen ist jedes Erlebnis entweder völlig neu oder mit irgendeinem anderen Erlebnis, woran es sich erinnert, identisch. Ein
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