TTB 117: Lichter des Grauens
bis auf eine winzige Geheimnotiz verbrannt – der Mann bekam eine neue Identität.«
Ein einziges, langanhaltendes Stöhnen ging durch die Zuhörerschaft. Diese Botschaft war erregend. Sie stellte alles, auch den Gegenstand des Verfahrens, in den Schatten. Mit ersterbender Stimme fuhr Renaut in seinen Ausführungen fort und übertönte den Lärm. Bald herrschte wieder atemloses Warten auf neue Eröffnungen.
»Fast sämtliche Piloten, die heute Sternenschiffe fliegen, sind ehemalige verwahrloste Kinder gewesen. Zigeuner, Russen, Unterfranken, Eskimos … einfach alles. Auch einige Neue sind darunter … Sie werden nach dem gleichen Schema behandelt. Einer von ihnen war der Pilot Alvaro Noguera, ein Spanier aus der Station ›la colina de las almas desemparadas‹ – ›dem Hügel der zerbrochenen Seelen‹ bei einer spanischen Hafenstadt. Er landete siebentausend Kilometer vom Raumhafen Capitan Tejedors entfernt mit seinem Schiff, der CID. Dort befreite die Katastrophenkugel sich und den Piloten; sie sprengte sich aus dem Schiff und landete in der Wüste.
Ein Schüler von Miß Anjanet Greenborough fand die Kugel, öffnete sie. Die Zeugin hat verantwortungsbewußt gehandelt, trotz der Aufschrift mit vielen Verboten auf der Kugelschleuse. Sie nahm den Piloten, der voller Schlafmittel war, zu sich. Als Noguera erwachte, begann er eine völlig neue Umgebung zu sehen, verstand sie nicht und sprang mit seinen wenigen Gedanken zurück in seine Kindheit, zitierte Verse aus einer uralten terranischen Gedichtsammlung, der Edda. Wegen der besonderen Reimform wird dieses Werk als Sprachschulung benützt, als Artikulationshilfe. Meist kennt der Debile nur wenige Worte wirklich; der Rest ist automatenhaftes Nachplappern. Die Robots, die damals die Debilen betreuten, hießen allgemein »Nannies«. Der Pilot, aus seiner mechanischen Kugelwelt gerissen, verwechselte die Zeugin mit dem Robot. Gleichzeitig erwachte sein Geschlechtstrieb. Wie unsere Psychologen wissen, mit ausgesprochen naturhafter Wildheit, wie ein Vulkan. Dreißig Tage litt die Zeugin unter diesem grotesken Mißverständnis. Sie verwechselten sich gegenseitig, der Raumfahrer und die Zeugin.
Sie hielt ihn für einen Mann, der unter einem Schock stand, und er sie für eine Nannie, die nur für die Sorge und den Trost gebaut war. Das war Nogueras tödlicher Irrtum.
Bei seinen Spielen – einer Mischung zwischen der Schulung und dem Training damals und dem Großen Spiel mit der Elektronik des Schiffes – brachte er die Frau mehrere Male in Lebensgefahr, brachte sie über jene Schwelle, die ein Mensch gemeinhin als Selbstachtung bezeichnet. Sie war wehrlos, denn Piloten haben Bärenkräfte. So dauerte dieses Martyrium fast einen ganzen Monat lang.
Das Urteil lautet in diesem Punkt: Selbstverständlich unschuldig in allen Punkten. Das Imperium wird eine Entschädigung zahlen, deren Höhe die Zeugin mit mir besprechen wird. Das Imperium sorgt für Rückbringung in die Heimat von Miß Greenborough, nach Capitan Tejedor, dem Planeten der Sonne Alphard im Sternbild der Wasserschlange.«
Schweigen. Wieder griff der Todkranke nach dem Glas und leerte es. Wie hypnotisiert beobachtete ihn das Auditorium. Düster glühten die rotleuchtenden Prismen des Kristallpalasts. Atembeklemmende Stille lag über der Szene.
»Und dann kam Randall Greenborough, der Angeklagte dieses Prozesses. Er ist der Bruder der Zeugin. Er entdeckte die beiden Menschen in einer verwirrenden Situation. Auch Randall verwechselte den Debilen mit einem normalen Raumschiffer. Er schlug ihn nieder, befreite die Frau und wurde dann wieder angegriffen. Er gab dem Piloten seinen Nadelwerfer und wartete den ersten Schuß ab. Noguera muß der absoluten Wahrheit näher als je gewesen sein. Er schoß, verwundete Randall. Der Hubschrauberpilot schleuderte eine ssfaira nach dem Raummann und zerschmetterte dessen Schädel mit dem Tier.
Nach Zwischenlandung auf der Ranch von Abram Greenborough, flog Randall nach T’City. Dort stellte er sich den Behörden.
Sein Vater, vor langer Zeit Erster Offizier an Bord eines meiner Schiffe, mobilisierte seine Finanzen und übergab Herrn T’Glastonbury die Verteidigung. Er hätte sich, gemessen an den Erfolgen, dieses Geld sparen können.«
Überraschtes Murmeln. Der Verteidiger sprang auf; Renaut winkte ihn zurück.
»In einem normalen Mordprozeß hätte der Verteidiger auch die letzte Chance des Angeklagten verdorben. Dies ist kein normales Verfahren. Das Urteil lautet
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