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TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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geschlossen hatte. Dann verharrten die spiegelnden Linsen auf dem leeren Stuhl hinter der Richterbarriere. Ein Robot löste sich aus der Starre, ging an Anjanet und Randall vorbei zum Ausgang. Der schwere Metallfuß trat auf die Scherben des Glases. Es klirrte und gab ein knirschendes Geräusch.
    Es schmerzte in Anjanets Ohren.
     
    *
     
    Mörderische Stille herrschte. Sie wurde in unbestimmten Abständen unterbrochen. Relais knackten, Schalter wurden umgelegt, und das entfernte Rattern eines Datengeräts prallte wie Pfeile gegen die angespannten Sinne. Eine Hand kam aus der Dunkelheit, verharrte einen Augenblick lang im matten Licht der Instrumente und drehte dann einen Schalter herum.
    Klick.
    Leben kam in zwei kreisrunde Skalen. Lichtpunkte rotierten entlang der Einteilung und kamen zur Ruhe, als sie sich mit andersfarbigen Dreiecken deckten. Zwischen den augenförmigen Skalen sank ein breiter, roter Strich nach unten, und das ovale Loch unterhalb der Senkrechten öffnete sich und sagte:
    »Gut, Wladij!« Ein warmer Ton lag in der Stimme.
    »Fein«, sagte Wladij.
    Das Große Spiel ging weiter. Bisher waren vier Schlafensperioden vergangen; zweiunddreißig Intervalle aus Schlafen, Essen, Trinken und Spiel. Wieder raste ein stählerner Sarg durch das All, bewegte sich überlichtschnell zwischen kaltstarrenden Punkten diamantener Sterne, schoß durch diffuse Gasnebel und jagte dem Ziel entgegen.
    Zeit: 23. Juni 2236 T. N.Z.
    Ort: im ersten Viertel einer Linie, die sich von Terra fort spannte und bei einer mächtigen Sonne endete.
    Namen: Wladij Ambarzumow und das »Gesicht«.
    »Nicht hatten sie Seele, nicht hatten sie Sinn, nicht Lebenswärme …«
    Diese Worte, gesprochen im harten und unbeholfenen Stil des gedrungenen Piloten, hallten für den Bruchteil einer Sekunde in der Kugel nach. Sie entstammten einer fernen Zeit … Damals war Wladij noch zwischen mütterlichen Robots über die Wiesen Alma Atas gerannt. Der Pilot saß angespannt in seinem schweren Spezialsessel. Seit dem Beginn des neuen Spiels hatte er starke Schmerzen im Kopf.
    »… noch lichte Farbe, Seele gab Odin, Sinn gab Hönir …«
    »Sechs!« sagte das Gesicht.
    »Ich habe Schmerzen im Kopf«, erwiderte Wladij.
    »Zuerst Sechs, dann werde ich mich darum kümmern, Wladij!« versprach der Mund des Gesichts mit Wärme in den Worten. Ambarzumow nickte zufrieden und beugte sich vor. Er drehte einen seiner Hand angepaßten Schalter herum, bis sich Dreiecke auf einer runden Leuchtscheibe mit den Spitzen gegenüberstanden. Augenblicklich fiel das Schiff aus dem Pararaum.
    Bohrende Schmerzen! Wladij krümmte sich zusammen, griff mit beiden Händen an den Kopf und begann die Schläfen zu massieren. Es geschah mit harten, abgehackten Bewegungen.
    »Wladij? Nimm dich zusammen und sieh die Punkte an!«
    »Will nicht!«
    »Sonst geht das Spiel nicht weiter. Ich lasse dich nicht einschlafen!« drohte die Stimme, immer noch voll deutlichen Wohlwollens.
    »Gut – aber nicht lange.«
    Das große Fenster, halbkugelig im oberen Teil der Steuerkabine angeordnet, wurde transparent. Die Punkte stachen wie Millionen feiner Nadeln in das Bewußtsein des Piloten. Er duckte sich, um dem Ansturm fremder Impulse zu entgehen. Sofort riß ihn die Stimme aus seiner Haltung.
    »Sieh die Punkte an, Wladij! Es gehört zu den Regeln des Spiels!«
    Er hörte den Befehl, aus dem jetzt unverhohlene Drohung sprach. Wieder blickte er nach den Punkten. Sie standen in Gruppen zusammen. Nur fehlten die Verbindungslinien, die er mit seinen Gedanken und einigen Drehknöpfen zu schaffen hatte. Hinter den nadelfeinen Punkten drehten sich Schleier, wanden sich zu Konturen zusammen, verloren sich im Hintergrund. Der Schmerz unter seiner Hirnschale verstärkte sich.
    Irgendein Ding zog und zerrte an seinen Bewußtseinsfäden und ließ nicht nach. Mühsam genug war es gewesen, dem Mann das mitzugeben, was er bis heute besaß. Eine Saite begann zu ertönen. Klick!
    Noch immer starrte der Pilot bewegungslos in die Millionen von Lichtaugen, die ihn drohend, kalt und unbeweglich umstanden, als wäre da ein ungeheurer Spiegel, in dem sich der Funkenregen seiner Gedanken zeigte. Ein gepreßtes Stöhnen kam aus der Kehle Wladijs. Dann begann er zu wimmern.
    Gnadenlos strahlten ihn die Sterne an. Eine Kettenreaktion entfesselter Wünsche, Gedanken, Hoffnungen und Empfindungen lief an: Haß, Furcht und Liebe wurden eins … die Punkte glühten … das Hirn schien sich zu verändern, schien

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