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TTB 117: Lichter des Grauens

TTB 117: Lichter des Grauens

Titel: TTB 117: Lichter des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Bausteine für elektrische und elektronische Anlagen und Medikamente. Und sieben Menschen. Das Schiff war beladen bis an die obersten Träger der Lasträume und raste durch das Meer der Dunkelheit, das Escobar liebte und – fürchtete.
    Dreimal habe ich mir jetzt gesagt, dachte Rafael Escobar und drückte die Zigarette aus, daß ich keine Angst habe. Also habe ich Angst und will es nicht zugeben. Wovor habe ich Angst?
    Klick! Inseln im Meer – Sonnen und Gasnebel, Filamente und leuchtende Schleier in phantastischen Formen; durchsetzt mit Brillanten kalter Feuer. Ein weniger stabiler Mann als Rafael hätte auf die Dauer den Anblick nicht ertragen können – er konnte es. Escobar war stolz darauf. Mut und Besonnenheit waren Tradition in seiner Familie. Noch sein Großvater hatte in der Arena von Barcelona gestanden und gekämpft. Blut und Todesgefahren waren für Rafael nichts Außergewöhnliches.
    Der Pilot lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloß die Augen. Er versuchte zu analysieren, was ihn eine Minute lang unsicher hatte werden lassen. Fehlende Geräusche war er gewohnt; die anderen Umstände der langen Reisen ebenfalls. Niemand sprach mit dem Piloten außer den Tonbändern, niemand zeigte ihm etwas außer den Lesespulen, niemand war da, der sich anfassen ließ. Doch – Schalter und zahllose Handgriffe: Sie waren ohne Seelen und nur funktionelle Gegenstände.
    »Gewohnte Anblicke«, sagte er und öffnete die Augen. Da waren sie wieder. Aus dem unendlichen Hintergrund drehte sich ein spiraliger Schleier hervor; Diamantstaub vor einer Wolke purpurn leuchtenden Gases. In unregelmäßigen Abständen stachen Sonnen hervor, von denen Alphard die größte war; von Terra aus ein Stern zweiter Größe. Weit hinten im Schiff ächzte eine Verstrebung wie ein Baum im Nachtwind.
    »Nein – ich werde mein Ziel erreichen«, sagte Escobar und stand auf.
    Sein Schiff, das er nach der Provinz seiner Heimat genannt hatte, raste weiter. In überlichtschneller Fahrt überbrückte es die Entfernung zwischen Terra und Tejedor. Komplizierte Geräte ermöglichten den Anblick der Sterne, nach denen sich der automatische Kursrechner richtete.
    Rafael stammte aus dem barrio gotico , dem Gotischen Viertel Barcelonas. Wie ein Automat hatte er sich nach oben gerungen. Diese Jahre lagen weit hinter ihm … Jedes Opfer, das ein Mensch für die Sterne bringen konnte, hatte Rafael Escobar gebracht. Drei Jahre Frachterpilot im Systemdienst, Passagierpilot der Terra-Mars-Route, dann Flüge im Stellarfrachtdienst. Noch drei Flüge, dann war er Kapitän und geadelt. Er würde dann die Passagierschiffe fliegen, die zwischen den fünf Kolonien verkehrten und bis zu zweihundert Passagiere an Bord hatten, keine Ultraschallsägen und Motorpflüge.
    Jedenfalls tröstete der Gedanke, wenn er auch im Moment nicht viel half. Eine der kleinen Krisen schien sich seiner bemächtigt zu haben, die Teil eines jeden menschlichen Lebens waren.
    Der Flug ging weiter, und Escobar verließ die Kabine, nachdem er die elektronische Steuerung eingeschaltet hatte. Fünf Stunden Schlaf warteten auf ihn.
    Irgendwann in diesen fünf Stunden wechselten die Ziffern auf dem blauleuchtenden Schlitz im Paneel. Die Borduhr mit der Kontrolle durch Quarzkristalle zeigte den neuen Tag an:
    00.01’ 52” – 21. IV. 2144 T. N .Z.
    Ausgeschlafen, gewaschen und satt betrat Rafael wieder die Steuerkanzel. Er sah auf den Fahrtschreiber, der eingegangene Impulse oder Beobachtungen registrierte: Nichts. Der Kurs verlief normal, in einer Geraden auf Alphard zu, dem Kopfstern der Wasserschlange. Die Konstellationen des Frontschirms hatten sich nicht geändert. Rafael zündete sich eine Zigarette an, lachte kurz und stellte fest, daß seine merkwürdige Stimmung von gestern verflogen war.
    »Es kommt darauf an«, sagte er zu sich selbst, »wie man damit fertig wird.«
    Klick! Der letzte Tropfen. Die Schale war voll; jetzt floß sie über. Seit fünfzehn Jahren hatte sich die Neurose aufgebaut. Jetzt wurde sie akut. Das Wasser aus jener Schale wurde verschüttet, aus einem kleinen Rinnsal wurde genau in dem Moment eine Sturzflut, als Rafael Escobar die Rundumschirme anschaltete.
    Die Sterne griffen nach ihm. Der Weltraum schlug um ihn zusammen wie eine schwarze Mantilla. Der Anblick traf ihn wie das Horn eines toro . Schwärze, greifbar in der Drohung, Silberstaub und Diamanten, lodernde Fackel Alphards. Es war Escobar, als bohre sich ihm ein Eiszapfen ins

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