Tuch und Tod (Ein Berringer-Krimi) (German Edition)
leinenartiges Gewand hing ihr bis über die Hüften, und dazu trug sie eine schneeweiße Jeans. Auf der Brust hüpfte ein hölzernes Amulett, in das ein paar verschlungene Zeichen eingebrannt waren.
Berringer stand auf. „Warten Sie!“
Sie griff zu ihrer schneeweißen Steppjacke, die an der Garderobe hing, und achtete nicht weiter auf Berringer.
Dieser machte ein paar schnelle Schritte und stellte sich zielsicher zwischen die junge Frau und die Tür. Der Sicherheitsmann machte drei Schritte, war sich aber nicht sicher, ob er eingreifen sollte, und blieb unschlüssig stehen.
„ Ich muss mit Ihnen reden!“, sagte Berringer zu der Lady in Weiß.
„ Sie müssen mich mit jemandem verwechseln.“
„ Das halte ich für ausgeschlossen.“
„ Was immer Ihnen mein Vater aufgetragen hat, sagen Sie ihm, er soll sich sein Geld sonst wohin stecken. Er kann mich mal.“
„ Wie kommen Sie darauf, dass Ihr Vater mich angeheuert hat?“
„ Mein Vater bezahlt doch jeden Idioten, der sich auf seinem Grundstück aufhält.“ Sie warf Sven Giselher einen finsteren Blick zu. Der Mann, der noch immer zögernd und unschlüssig in der Empfangshalle stand, wandte das Gesicht ab.
Sie ging weiter in Richtung Tür und zog dabei ihre Jacke über. Ziemlich heftig riss sie die Tür auf und trat ins Freie. Sie ging schnurstracks auf das gusseiserne Tor zu. Offenbar hatte sie ihren Wagen nicht auf das Grundstück gefahren, sondern irgendwo in der Nähe abgestellt. Zumindest nahm Berringer das an.
Oder sie wird abgeholt, überlegte er. Nach ein paar Schritten hatte er sie eingeholt.
„ So warten Sie doch! So kann sich doch kein Mensch mit Ihnen unterhalten.“
„ Wer sagt, dass ich mich unterhalten will!“
„ Ich bin Privatdetektiv und versuche herauszufinden, wer Ihren Vater umbringen will.“
„ Schade, dass der Stümper so schlecht gezielt und nur dieses behäbige Island-Pferd getroffen hat!“
Sie ging immer schneller. Ihre Hände hatten sich zu Fäusten geballt, und Berringer hatte den Eindruck, dass ihre Gesichtsfarbe doch ein wenig dunkler geworden war. Sauer gewordener Rotwein, dachte er, war sich aber als Antialkoholiker nicht recht sicher, ob es so etwas überhaupt gab. Egal, sauer stimmte auf jeden Fall.
„ Sie waren auf dem Rahmeier-Hof und haben sich nach Ihrem Vater erkundigt“, sagte er. „Und Sie wissen offenbar über die Pferde Ihres Vaters bestens Bescheid.“
„ Na und?“
„ Das sind beides Merkmale, die auch auf den Täter zutreffen, der sich als Pferde-Serienmörder betätigt hat.“
„ Ach!“
„ Oder auf die Täterin!“
Abrupt blieb sie stehen. Ungefähr zwanzig Meter waren es noch bis zum gusseisernen Tor. Die beiden Wachmänner dort waren so unschlüssig wie Sven Giselher in der Empfangshalle, wie sie reagieren sollten. Nur der Hund gehorchte einfach seinem Instinkt. Er spürte selbst auf die Entfernung die aggressive Stimmung, die in der Luft hing. Also riss er an der Leine und kläffte, so gut das mit Maulkorb ging. Seiner hundeeigenen Logik nach wies er damit ein sich unbotmäßig verhaltendes, seine Rangstufe missachtendes Rudelmitglied zurecht.
„ Sie denken, ich habe auf meinen Vater geschossen, ja?“
„ Ich konfrontiere Sie nur mit den Fakten, mit denen Sie auch die Polizei konfrontieren wird“, gab Berringer sachlich zurück. „Und die wird Ihnen auch dieselben Fragen stellen, die ich Ihnen stelle.“
„ Die Bullen können mich mal!“
„ Die auch?“ Berringer schmunzelte. „Sieh mal einer an.“
„ Hören Sie …“
Doch Berringer ließ sie nicht zu Wort kommen. „Was ist denn passiert, dass Sie hier wie eine Furie herumlaufen? Scheinen ja richtig tiefgehende familiäre Differenzen zu sein, die da vorliegen – und auch das wird die Polizei interessieren.“
Sie stemmte die Fäuste in die geschwungenen Hüften. „Wissen Sie eigentlich, wer ich bin?“
„ Die Tochter von Herrn Gerath, wenn ich Sie richtig verstanden habe“, sagte Berringer lapidar.
„ Ich bin Maja Gerath!“
Zumindest hatte sie nicht gesagt: Ich bin die Gerath. Die Gerath war wahrscheinlich die Frau des Gerath, dachte Berringer amüsiert.
Sie fuhr fort: „Und wenn Sie noch einmal behaupten, dass …“
Berringer fuhr ihr in die Parade. „Drohen Sie mir jetzt nicht mit Anwälten, die Ihr Vater bezahlen müsste. Das wäre doch irgendwie unredlich, finden Sie nicht auch?“
„ Wa… was?“, stammelte sie. Sie musste erst mal ihre Gedanken ordnen, so schien es. Und vor allem ihre
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