Tür ins Dunkel
mir vertraut, sich an meiner Schulter ausweint. So nach dem Motto: Verlassen Sie sich ausschließlich auf den großen Dan Haldane! Big Dan wird diese Bösewichte zur Strecke bringen und Ihre Welt wieder heil machen. Big Dan schafft das, auch wenn er tief im Innern noch immer ein törichter romantischer Jüngling ist. Nein. Diesmal nicht. Er hatte eine Aufgabe zu erledigen, und das würde er auch tun, aber ganz sachlich, ohne irgendwelche Gefühle zu investieren. Dieser Frau würde an einer persönlichen Beziehung mit ihm sowieso nicht das geringste liegen. Sie hatte eine höhere Bildung als er. Sie hatte Stil. Sie war ein Typ für Brandy, während er selbst mit Bier vorliebnahm. Und, um Gottes willen, dies war gewiß nicht der richtige Zeitpunkt für eine Romanze. Sie war viel zu verwundbar; sie machte sich wahnsinnige Sorgen um ihre Tochter; ihr Mann war brutal ermordet worden, und das konnte sie nicht ungerührt lassen, auch wenn sie ihn seit langem nicht mehr geliebt hatte. Welcher Mann würde in einem solchen Augenblick romantische Träume hegen? Er schämte sich seiner selbst. Und doch...
Seufzend sagte er: »Nun, wenn Sie das Notizbuch Ihres Mannes gelesen haben, werden Sie mir vielleicht beweisen können, daß er das Mädchen nie in diesen Stuhl gesetzt hat. Aber ich glaube es nicht.«
Wie sie so dastand, machte sie einen verlorenen Eindruck.
Er ging zum Schrank und öffnete die Türen. Der Schrank enthielt Jeans, T-Shirts, Pullover und Schuhe in Größen, die einem neunjährigen Mädchen passen mußten. Alle Sachen waren grau.
»Warum?« fragte Dan. »Was hoffte er auf diese Weise beweisen zu können? Zu welchen Erkenntnissen sollte ihm das Mädchen verhelfen?«
Die Frau schüttelte stumm den Kopf; zum Sprechen fehlte ihr die Kraft.
»Und ich frage mich auch noch etwas anderes«, fuhr Dan fort. »Diese sechs Jahre müssen mehr Geld gekostet haben, als er von Ihrem gemeinsamen Konto abgehoben hatte. Wesentlich mehr! Trotzdem hat er nirgends gearbeitet. Er ist nie aus dem Haus gegangen. Vielleicht gab Hoffritz ihm Geld. Aber es muß noch andere Geldgeber gegeben haben. Wer waren diese Leute? Wer hat diese Arbeit finanziert?«
»Ich habe keine Ahnung«, murmelte Laura.
»Und warum?« überlegte er laut.
»Und wohin hat man Melanie gebracht?« fragte Laura »Und was mag ihr jetzt angetan werden?«
5
Die Küche war nicht direkt schmutzig, aber auch alles an dere als sauber. In der Spüle stapelte sich schmutziges Geschirr. Der Tisch am einzigen Fenster war mit Krumen übersät. Laura setzte sich an den Tisch und fegte die Krumen mit der Hand beiseite. Sie wollte so schnell wie möglich Dy lans Aufzeichnungen über seine Experimente mit Melanie lesen. Aber Haldane wollte ihr das Buch - es hatte die Größe eines Hauptbuches und einen braunen Kunstledereinband -noch nicht geben. Er hielt es in der Hand und lief nervös im Zimmer auf und ab. Der Regen trommelte ans Fenster und lief an der Scheibe hinab, und wenn ein Blitz die Nacht erhellte, wurde dieses Tropfenmuster an die Wände projiziert, was dem Raum das unwirkliche Aussehen einer Fata Morgana verlieh. »Ich möchte einiges über Ihren Mann erfahren«, sagte Haldane. »Beispielsweise?«
»Weshalb Sie sich von ihm scheiden lassen wollten.«
»Ist das von Bedeutung?«
»Möglicherweise.«
»Wie denn?«
»Nun, falls es in seinem Leben eine andere Frau gab, könnte sie uns eventuell Auskunft darüber geben, was er hier gemacht hat. Vielleicht könnte sie uns sogar sagen, wer ihn ermordet hat.«
»Es gab keine andere Frau.«
»Weshalb wollten Sie sich dann von ihm trennen?«
»Ich... ich liebte ihn einfach nicht mehr.«
»Warum?«
»Er war nicht der Mann, den ich geheiratet hatte.«
»Inwiefern hatte er sich verändert?« Sie seufzte. »Er hatte sich nicht verändert. Er war nie der Mann, den ich geheiratet hatte. Ich hatte mir ein völlig falsches Bild von ihm gemacht. Mit der Zeit erkannte ich, wie falsch ich ihn von Anfang an eingeschätzt hatte.« Haldane hörte endlich auf, hin und her zu laufen, lehnte sich an eine Arbeitsplatte und kreuzte die Arme über der Brust, ohne Dylans Notizbuch aus der Hand zu legen. »Worin bestand diese Fehleinschätzung?«
»Damit Sie das verstehen können, muß ich Ihnen zunächst einiges über mich erzählen. Ich war auf der High School und im College nicht sonderlich beliebt oder begehrt. Ich hatte nie viele Verabredungen.«
"Es fällt mir schwer, das zu glauben.« Sie errötete wider Willen. „Es
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