Tür ins Dunkel
Achseln. »Sie müssen doch irgendeine Idee haben«, beharrte er. »Nein, ich habe nicht die geringste Ahnung, was er damit bezweckte. In dem Tagebuch steht darüber kein Wort. Auch die Experimente werden nicht beschrieben. Er hat nur notiert, wie sie ihre Zeit verbrachte.«
»Sie haben vorhin in seinem Arbeitszimmer die überall verstreuten Papiere gesehen. Sie enthalten mit Sicherheit detailliertere Angaben als das Notizbuch.«
»Mag sein.«
»Ich habe einen flüchtigen Blick auf einige davon geworfen, wurde aber nicht schlau daraus. Zuviel psychologische Fachausdrücke. Für mich das reinste Chinesisch, Wenn ich das ganze Zeug fotokopieren lasse und Ihnen die Kopien in einigen Tagen schicke - würden Sie sie durchsehen und versuchen, sie zu ordnen?«
»Ich... ich weiß nicht. Es war schon schlimm genug, das Tagebuch zu lesen.«
»Wollen Sie nicht wissen, was er Melanie angetan hat? Falls wir sie finden, werden Sie es wissen müssen, wenn Sie mit dem psychischen Trauma, unter dem das Kind bestimmt leidet, fertigwerden wollen.« Er hatte recht. Um Melanie richtig behandeln zu können, würde sie den Alptraum ihrer Tochter genau kennen, ihn sozusagen zu ihrem eigenen Alptraum machen müssen. »Außerdem«, fuhr Haldane fort, »enthalten diese Papiere möglicherweise Anhaltspunkte darüber, wer seine Mitarbeiter waren und wer ihn ermordet haben könnte, Wenn wir das wüßten, wüßten wir vielleicht auch, wo Melanie sich jetzt befindet. Wenn Sie die Papiere Ihres Mannes durchsehen, stoßen Sie vielleicht auf eine Information, die uns hilft. Ihr kleines Mädchen zu finden.«
»Okay«, sagte sie müde. »Schicken Sie mir das Zeug.«
»Ich weiß, daß es für Sie nicht leicht sein wird.«
»Das ist noch sehr milde ausgedrückt.«
»Ich will wissen, wer unter dem Deckmantel der Forschung die Folterung eines kleinen Mädchens finanziert hat«, sagte er in einem Ton, der für einen unparteiischen Gesetzesvertreter viel zu grimmig und rachsüchtig klang. »Ich will es um jeden Preis herausfinden...«
»Lieutenant?« Ein uniformierter Polizist betrat die Kü che.
»Was ist, Phil?«
»Sie suchen doch nach einem kleinen Mädchen, stimmt's?«
»Ja.«
»Nun, es wurde ein Mädchen gefunden.«
Laura stockte der Atem. Die entscheidende Frage lag ihr auf der Zunge, doch sie brachte keinen Ton hervor. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
»Wie alt?« erkundigte sich Haldane.
Das war nicht die Frage, die Laura bewegte.
»Etwa acht oder neun.«
»Haben Sie eine Beschreibung von ihr?« fragte Haldane.
Auch das war nicht die richtige Frage.
»Kastanienbraune Haare. Grüne Augen«, antwortete der Polizist.
Beide Männer starrten auf Lauras kastanienbraune Haare und grüne Augen.
Sie versuchte zu sprechen. Es gelang ihr nicht.
»Ist sie am Leben?« fragte Haldane.
Das war die Frage.
»Ja«, antwortete der Polizist. »Ein Streifenwagen hat sie sieben Blocks von hier entfernt aufgegriffen.«
Laura atmete tief durch. »Sie lebt?« fragte sie ungläubig.
Der Polizist nickte. »Ja, wie schon gesagt - sie lebt..«
»Wann wurde sie gefunden?«
»Vor etwa anderthalb Stunden.«
Haldanes Gesicht lief vor Zorn rot an. »Verdammt, warum erfahre ich erst jetzt davon?«
»Es war eine ganz normale Streife, die das Mädchen aufgriff«, erwiderte Phil. »Die Männer wußten nicht, daß es einen Zusammenhang zwischen der Kleinen und diesem Mordfall gibt. Das haben sie erst vor wenigen Minuten erfahren.«
»Wo ist sie jetzt?« fragte Laura. »Im Valley Medical.«
»Im Krankenhaus? Mein Gott! Was ist mit ihr? Ist sie verletzt? Schwer verletzt?«
»Sie ist nicht verletzt«, antwortete der Polizist. »Wenn ich richtig verstanden habe, wurde sie aufgegriffen, weil sie... äh... nackt auf der Straße umherirrte und wie betäubt war.«
»Nackt!« murmelte Laura kraftlos. Die Angst, daß Melanie einem Sexualverbrecher in die Hände gefallen war überfiel sie wieder mit der Wucht eines Hammerschlags Sie lehnte sich an den Schrank und umklammerte mit beiden Händen die Arbeitsplatte, um nicht zusammen zubrechen. Während sie sich mühsam aufrecht hielt um kaum Luft bekam, flüsterte sie noch einmal: »Nackt?«
»Und völlig verwirrt, außerstande zu sprechen«, berichtete Phil. »Die Männer dachten, sie stehe unter schwerem Schock oder sei betäubt worden, deshalb schafften sie sie auf schnellstem Wege ins Valley Medical.« Haldane nahm Laura beim Arm. »Kommen Sie. Wir fahren hin.«
»Aber...«
»Was ist?«
Sie fuhr sich mit der
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