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Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees

Titel: Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Gottschlich
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Tigris, die immerhin über 1000 beziehungsweise über 500 Kilometer durch die Türkei fließen, bevor sie dann durch Syrien und den Irak zum Persischen Golf gelangen. Noch zwei weitere große Flüsse entspringen in den Bergen Ostanatoliens: der Kizilirmak, der nach einem großen Bogen durch Zentralanatolien ins Schwarze Meer fließt, und der Seyhan, der bei Adana ins östliche Mittelmeer mündet.
    Am Euphrat und Tigris hat die Türkei schon in den 1970 er Jahren ein gigantisches Entwicklungsprojekt ( GAP ) begonnen, dass bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Durch den Bau von insgesamt 22 , zum Teil riesigen Staudämmen sollen Wasserkraftwerke betrieben werden, mit denen man nach letzten Planungen bis zu 30000 MW Strom erzeugen will. Das wäre fast doppelt so viel, wie alle deutschen AKW s zusammen auf den Strommarkt bringen ( 17700 MW ). Zweitens soll das Wasser aus den Staudämmen für ein riesiges Bewässerungsprojekt in der mesopotamischen Tiefebene zwischen Diyarbakir und Urfa genutzt werden. Können bislang in Ostanatolien lediglich zehn Prozent der Fläche landwirtschaftlich genutzt werden, sollen durch diese Bewässerungsprojekte Tausende von Hektar dazugenommen werden – in den weitestgehenden Entwürfen eine Fläche von der Größe des Saarlandes. Damit will man die Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung des kurdisch besiedelten Südostens schaffen, um so zumindest einen Teilaspekt des Kurdenproblems anzugehen: die endemische Armut.
    Die staatlichen Planer diskutieren seit langem noch eine weitere Möglichkeit, den Wasserreichtum auch kommerziell nutzbar zu machen. Unter dem Stichwort Wasser gegen Öl wird überlegt, Wasserpipelines in den Nahen Osten zu verlegen, um so quasi Wasser gegen Öl zu tauschen. Dieses Vorhaben, genau wie der Bau der Staudämme, hat allerdings bereits jetzt heftige Proteste in Syrien und dem Irak hervorgerufen, weil man dort fürchtet, die Türkei würde ihnen buchstäblich das Wasser von Euphrat und Tigris abgraben, um es ihnen dann später teuer zu verkaufen.
    Es gibt aber auch jetzt schon erhebliche praktische Probleme durch die extensive Wassernutzung. Jeder Staudamm vernichtet Kulturland, Dörfer müssen geräumt werden, Tausende Menschen verlieren ihre angestammte Heimat. Hinzu kommt, dass am Oberlauf von Euphrat und Tigris wertvolle historische Stätten unter dem Wasser verschwinden. Das Gebiet gehört zu den ältesten menschlichen Siedlungsgebieten überhaupt, einige Archäologen glauben, dass hier einmal der biblische Garten Eden gelegen haben soll, weil Menschen hier erstmals Getreide kultiviert haben. Die bekanntesten Beispiele für die Bedrohung durch Staudämme sind die Ruinen von Hasankeyf, ein Ort an einer Tigrisfurt, an dem Jahrtausende alte Siedlungsspuren nachgewiesen wurden sowie die Ruinen der römischen Stadt Zeugma, in denen wertvolle Mosaiken gefunden worden waren, bevor die Fluten des Birecik-Staudammes diese verschwinden ließ. Nun ist Hasankeyf durch den Bau des Illusu-Staudammes bedroht, der unter anderem mit deutschem Geld hochgezogen werden soll.
    Landschaft und Kultur
    So unterschiedlich wie das Klima, so vielfältig sind die Landschaften der Türkei. Es ist vielleicht übertrieben, wenn einige Türkei-Enthusiasten behaupten, man könne in dem Land alles finden, was es auf der Welt gibt – abgesehen vom tropischen Dschungel und den arktischen Eiswüsten –, aber es ist doch nur eine kleine Übertreibung. Alpine Gebirgslandschaften, Steppen und Wüsten, phantastische Strände, ausgedehnte, uralte Wälder, große Seengebiete – wer dieses Land wirklich erkunden will, muss sich Zeit nehmen und wird sicher nicht enttäuscht werden. Von der Fläche umfasst die Türkei rund 770000 Quadratkilometer – mehr als doppelt so viel wie das vereinigte Deutschland. Bei einer Bevölkerung von rund 75 Millionen zeugt das von einer deutlich dünneren Besiedelung als in Deutschland. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass mittlerweile über 60 Prozent in den städtischen Ballungszentren konzentriert sind, kann man sich vorstellen, dass es auch heute noch ganze Landstriche gibt, die dem mitteleuropäischen Besucher vorkommen, als sei hier noch vollkommen unberührte Natur. Anders als in Deutschland ist die Natur für die Menschen in der Türkei auch noch kein postmaterialistisches Kulturgut, das man wandernd durchstreift und bestaunt, sondern entweder man lebt notgedrungen mit ihr, wie die Bauern, Hirten und Nomaden, oder man ist froh, ihren Launen

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