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Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees

Titel: Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Gottschlich
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Genehmigungen bedarf, sollte man einen Versuch nicht ohne einen professionellen Reiseveranstalter unternehmen, der vorher die Papiere beschafft. Wie gefährlich solche Expeditionen sein können, ist im Juli 2008 durch die Entführung von drei deutschen Bergsteigern noch einmal deutlich geworden.
    Politisches System
    Für die türkische Republik war in den Jahren nach ihrer Gründung 1923 Frankreich das große Vorbild. Sowohl aus staatstheoretischen Überlegungen als auch aufgrund der dominierenden Person des Republikgründers und ersten Präsidenten Mustafa Kemal (Atatürk) wurde die Türkische Republik zu einem zentralistisch gelenkten Staat mit einem starken Präsidenten. Wie in Frankreich ist das Land in Provinzen unterteilt (es gibt 81 ), die jeweils einen von der Regierung bestellten Gouverneur haben. Ebenfalls nach französischem Vorbild sind im Gegenzug die Kommunen und ihre gewählten Bürgermeister mit einer relativ starken Stellung versehen, so dass vor allem das Amt des Oberbürgermeisters in den großen Städten (Istanbul, Ankara, Izmir) eine herausgehobene politische Position darstellt, von der aus sich gut große politische Karrieren vorbereiten lassen. Bekanntestes Beispiel ist der derzeit regierende Ministerpräsident Tayyip Erdogan, der in der ersten Hälfte der 1990 er Jahre Oberbürgermeister von Istanbul war.
    Im Prinzip wurde auch das französische Vorbild des Citoyen übernommen – jeder, der von sich sagt, er ist Türke, soll auch dazugehören und nicht aufgrund seiner Abstammung diskriminiert werden.
    Das Problem der Türkei ist, dass aus diesem Diskriminierungsverbot ein Assimilierungsgebot wurde. Jahrhundertelang war das Osmanische Reich ein Vielvölkerstaat. Die Türken als Staatsvolk kamen darin kaum vor, verbindende Elemente waren die gemeinsame Huldigung des Sultans (bzw. des Hauses der Osmanen, die über 700 Jahre durchgehend den Sultan stellten) und der Islam. Die christlichen Minderheiten, die einen beachtlichen Teil des osmanischen Staatsvolkes bildeten, waren in eigenständigen Milliyets organisiert, hatten eigenständige Schulen und übten eine eigene Gerichtsbarkeit aus, mussten keinen Militärdienst leisten, dafür aber wesentlich höhere Steuern zahlen als die Muslime, und hatten keinen Zugang zu wichtigen Posten in der Bürokratie.
    Für die neue Republik kam es deshalb erst einmal darauf an, ein Staatsvolk im modernen, nationalstaatlichen Sinne zu schaffen – und das waren nach Lage der Dinge die Türken. Die christlichen Minderheiten behielten nach dem Friedensvertrag von Lausanne 1923 einen Sonderstatus als Minderheiten, für alle anderen galt aber bald nicht nur: »Ich bin glücklich, sagen zu können, ich bin Türke«, wie es Atatürk für alle Bürger der Republik formulierte, sondern aus dem Versprechen wurde eine Drohung: Wenn du nicht Türke bist, hast du gefälligst einer zu werden oder zu gehen. Nur so glaubte man, den territorialen Zusammenhalt des Staates, der ja im Vergleich zum Osmanischen Reich auf einen ziemlichen Restbestand zusammengeschrumpft war, sichern zu können. Damit aber war die Saat für die späteren Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden gelegt.
    Die Kurden kamen als Gründungsvolk der Republik nicht mehr vor, später wurde von Staats wegen sogar zeitweilig die Existenz von Kurden innerhalb der Türkei grundsätzlich bestritten. Der staatliche Zentralismus und die Betonung des Türkentums, auch bei der Durchsetzung des Türkischen als alleiniger Sprache – nach dem Putsch 1980 verboten die Generäle sogar vorübergehend, kurdisch auf der Straße zu sprechen –, waren getrieben von der Angst vor einer Spaltung des Landes. Dieses Trauma der politischen Klasse rührt aus dem Niedergang des Osmanischen Reiches, als sich im Zuge des aufkommenden europäischen Nationalismus eine Nation nach der anderen abspaltete und nach blutigen Kämpfen für unabhängig erklärte, beginnend mit den Griechen zu Beginn des 19 . Jahrhunderts über den gesamten Balkan bis zuletzt zu den arabischen Ländern, in denen während des Ersten Weltkrieges die Briten zur Schwächung der Osmanen erfolgreich einen arabischen Nationalismus entfacht hatten (man denke an Lawrenz von Arabien).
    Die Letzten, die dann vor dem endgültigen Ende des Osmanischen Reiches auf dem Gebiet des anatolischen Kernlandes noch einen unabhängigen Staat durchsetzen wollten, waren die Armenier – die brutale Vertreibung, Deportation und Ermordung der anatolischen Armenier während des

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