Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees
endlich entronnen zu sein und in der Stadt die Vorteile der Zivilisation zu genießen.
Wer zu Fuß geht, wandert nicht, sondern ist einfach zu arm, um sich ein Auto zu leisten. Freiwillig zu laufen fordert nur Kopfschütteln heraus. Leute, die wandern, sind fast immer westliche Ausländer. Deshalb bietet die Türkei unendlich viele Gelegenheiten, unberührte Landschaften zu entdecken und weitgehend ungestört genießen zu können. Damit die Grundbedürfnisse für Wanderer gedeckt werden können, haben jetzt englische Naturfreunde und -freundinnen begonnen, an besonders schönen Routen Wanderwege auszuzeichnen. Der bekannteste ist der Lykische Wanderweg, eine mehrere hundert Kilometer lange Strecke entlang der südwestlichen Mittelmeerküste durch das antike Lykien. Der Weg führt immer oberhalb der Küste durch das Taurusgebirge und berührt etliche spektakuläre antike Stätten. Jüngstes Beispiel ist der Apostel-Pfad, ein Weg, der östlich von Antalya von der Küste aus ins Gebiet der großen Seen führt, und den der Apostel Paulus, der ja bekanntlich aus Tarsus, einer antiken Stadt in unmittelbarer Nachbarschaft des heutigen Mittelmeerhafens Mersin, stammt, bei seiner Missionstätigkeit vor knapp 2000 Jahren genommen haben soll.
Bei Wanderungen durch diese uralten Kulturlandschaften entdeckt man eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen, die es entweder nur hier gibt, oder die andernorts bereits ausgestorben sind. Nicht nur Bären und Luchse, auch seltene Schmetterlinge und, wenn auch schon lange nicht mehr gesichtet, den anatolischen Leoparden. Hunderte von Heilkräutern und Zierpflanzen stammen aus Anatolien. Im Taurusgebirge wachsen sogar noch die berühmten Libanon-Zedern, von denen es im Libanon selbst längst keine mehr gibt.
Doch obwohl das Wandern in der Türkei immer noch keine Massenbewegung geworden ist, haben in jüngster Zeit auch die türkischen Tourismus-Manager erkannt, dass sich nicht mehr nur mit Bettenburgen am Strand Geld verdienen lässt. Als Erstes ist ihnen bewusst geworden, dass es entlang der Ägäis- und Mittelmeerküste mehr antike Stätten der abendländischen Kultur gibt als selbst in Griechenland oder Italien. Angefangen von Troja im Nordwesten, wo Homer die Ilias ansiedelte und damit den Gründungsmythos der westlichen Literatur überhaupt schuf, über Ephesus, eine der besterhaltenen griechisch-römischen Großstädte der Antike, und Aphrodisias, aus deren Marmorbrüchen die meisten Skulpturen der Antike stammen, dem riesigen Theater von Aspendos und dem Apollo-Tempel in Side bis hin zu den unterirdischen christlichen Kirchen in Kappadokien und der ersten christlichen Kirche überhaupt, der Apostelkirche St. Peter in Antakya (dem damaligen Antiochien), wo der Apostel Petrus die erste Gemeinde nach dem Tode Jesu gegründet haben soll. Angesichts dieser Fülle antiker Sehenswürdigkeiten entwickelte sich neben dem Badeurlaub auch immer mehr ein echter Kulturtourismus von Leuten, die sich neben der Gegenwart auch für die Vergangenheit des Landes interessieren.
Selbst der Osten wird langsam touristisch erschlossen. Während man im Südosten im Tur-Abdin auf den Spuren der ersten Christen wandern kann, sind im Nordosten große Ski-Gebiete entstanden, und auf dem Kizilirmak werden spektakuläre Rafting-Touren angeboten. Das Highlight im Osten aber ist der Ararat, mit 5165 Metern der höchste Gipfel des Landes. Seinen weltweiten Ruf verdankt der Ararat aber nicht seiner Höhe oder etwa einer besonderen Herausforderung für Bergsteiger, sondern der Bibel: Auf dem Ararat soll die Arche Noah gestrandet sein, nachdem die Sintflut langsam abzufließen begann. Da der Berg während des Krieges mit der kurdischen PKK als militärisches Sperrgebiet für Bergsteiger über zehn Jahre lang nicht zugänglich war, kann diese Überlieferung erst seit wenigen Jahren, nun mit modernen Mitteln der Archäologie, überprüft werden. Besonders amerikanische Bibelforscher aus fundamentalistischen Sekten sind ganz wild darauf, die vermeintlichen Reste der Arche Noah aus den Gletschern des Ararat auszugraben. Eine für jedermann leicht zugängliche Arche Noah findet sich auf halber Höhe des Berges. Greenpeace hat hier im Jahr 2007 eine Arche nachgebaut, die angesichts der drohenden Klimakatastrophe daran erinnern soll, dass heute mindestens so viele Arten bedroht sind wie durch die Sintflut – und daher dringend moderner Retter bedürfen.
Da es für eine Besteigung des Ararats aber immer noch einiger
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