Tuermer - Roman
Einschätzung nach nicht mal ein Kinderbett hätte transportieren können, auf dem Hof vorm Hotel. Ich hatte Ianna gefragt, was von einem solchen Angebot zu halten wäre, sie sagte mit einem amüsierten Zug um die Mundwinkel, daß sie als Frau nicht mitfahren würde, als Mann schon. Sie war mit mir aus dem Foyer gekommen und nickte mir, nach einem kurzen Blick auf Zoran, zu. Ich fragte also nicht, wie er das Bett in diesem Auto transportieren wollte, und wir fuhren Richtung Süden aus der Stadt hinaus. Zoran schwieg und rauchte, er wirkte heute abweisender als gestern, bereute er unsere Verabredung? Ich dachte darüber nicht weiter nach, ein Mann – ein Wort, und begann gleichfalls zu rauchen. Als ich mich mit seiner Schweigsamkeit schon ganz gut abgefunden hatte und versuchte, mir die Bewohner der neureichen Paläste im Belgrader Umland vorzustellen, begann er unvermittelt, mich über meine Familie auszufragen. Mein Vater schien ihn zu interessieren. Er hörte still zu, fragte nur kurz etwas nach, so als würde er die Geschichte im großen und ganzen kennen. Ich hatte noch nie länger über meinen Vater gesprochen und sagte Dinge, die ich selbst erst seit eben wußte, die ich eigentlich nur annahm.
Anhalter
Ich wollte ihn auch nach seinem Vater fragen, aber in diesem Moment fuhr er an den Straßenrand, und ich sah einen Anhalter dort stehen, den ich vorher nicht bemerkt hatte. Zoran hielt an und ließ ihn hinten einsteigen. Er brachte etwas Beängstigendes mit sich, die paar Worte, die er hervorbrachte, kamen schleppend und verwaschen, wie bei einem Betrunkenen vielleicht, aber er roch nicht so. Als ich ihn im Rückspiegel genauer ansah, merkte ich, daß er jung war, höchstens achtzehn, ich hatte ihn beim Einsteigen auf dreißig geschätzt. Sein Gesicht war apathisch, seine blauen Augen glasig. Er war krank und hustete in einem fort, ein festsitzender, bellender Husten. Von dem, was er sagte, verstand ich nur soviel, daß es um seine Familie ging. Zoran nickte, er fragte etwas nach, kurz und leise, und Tränen traten bei der Antwort des Jungen in seine Augen. Die Sonne schien, es war heiß im Auto. Die Landschaft zog unbeteiligt vorbei. Der Junge bat Zoran, ihn rauszulassen. Zoran erwiderte nichts und hielt am Rand des nächsten Dorfes an. Sie stiegen beide aus, und Zoran verabschiedete ihn, er gab ihm Geld. Wir fuhren schweigend weiter. Nach einer Weile sagte Zoran: Er ist aus Bosnien. Vielleicht sollte ich diesen Satz besser verstehen, als ich ihn verstand, denn er erklärte mir sonst nichts und fügte nur hinzu, er muß zum Arzt, aber er hat kein Geld. Ich fragte, was mit seiner Familie geschehen sei. Hat der Krieg kaputtgemacht, sagte er, seltsamerweise mit einemmal in einem fast gebrochenen Deutsch, als hätte er durch die Begegnung mit dem Jungen auch seine zweite Sprache verloren. Er wollte mir nichts erzählen, vielleicht befürchtete er, die Tränen könnten wieder kommen. Ich fragte vorsichtig noch einmal, aber er erklärte mir, daß er mir jetzt ein Kloster in der Nähe zeigen wolle, welches sehr schön an einem klaren Fluß liege: Du interessierst dich doch für Kirchen. Vielleicht war es seine Auffassung von Gastfreundschaft, mir meinen Aufenthalt nicht mit der Geschichte des Jungen verderben zu wollen. Ich rätselte wieder, warum Zoran mich eigentlich mitgenommen hatte.
Topola
Am Abend kamen wir in der kleinen Stadt von Zorans Mutter an. Sie war nicht da, was mich wunderte. Zoran sagte mir, sie sei verreist, offensichtlich war unsere Aktion nicht als Besuch gedacht. Immerhin fuhren wir wirklich zu einem Freund, der mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern in einem unbewohnt aussehenden Siebenstöcker wohnte. Im Treppenhaus roch es streng, die Beleuchtung funktionierte schon lange nicht mehr. Wir trugen zu dritt das Bett hinunter und befestigten es auf abenteuerliche Weise auf dem Auto. Wir beschlossen, noch einen Kaffee zu trinken. Zoran schien lange nicht hier gewesen zu sein, der Freund redete ohne Unterlaß auf ihn ein und warf mir zwischendurch ein paar Zusammenfassungen ihres Gesprächs zu: Our church is controlling the whole life of people in town … you cannot say that out loud. They have all the important positions in town. Er wollte nach Belgrad kommen. Zoran saß wortkarg und in sich zusammengesunken da, er schien sich auf das Kaffeetrinken konzentrieren zu wollen. Ab und zu nickte er oder schüttelte den Kopf und fragte in seiner knappen Art etwas nach. Erst als wir gingen, sagte er ein
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