Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis
alten Ziegelhäusern, und im Lichtschein glühender Kugeln mit einer beständig brennenden Flamme liefen Leute umher. Furcht einflößende Leute. Leichenblasse Phantome in altmodischer Kleidung.
Terry war kein besonders frommer Mann und ging nur zu besonderen Gelegenheiten wie Hochzeiten oder Beerdigungen in die Kirche, aber einen Moment lang fragte er sich, ob er aus Versehen auf eine Art Vorhölle gestoßen war oder zumindest auf irgendeinen Fegefeuer-Freizeitpark. Erschrocken wich er zurück und bekreuzigte sich; dann murmelte er bestürzt ein paar fehlerhafte Ave Marias, stolperte in heller Panik die Treppe hinauf und verbarrikadierte die Tür, damit keiner der Dämonen entkommen konnte.
Er stürmte aus dem menschenleeren, halb abgerissenen Gebäudekomplex und verschloss das Haupttor mit einem schweren Vorhängeschloss. Während er wie in Trance nach Hause fuhr, fragte er sich, was er seinem Boss am nächsten Morgen erzählen sollte. Obwohl er die Szenerie mit eigenen Augen gesehen hatte, musste er sich das Bild immer wieder ins Gedächtnis rufen. Und als er endlich zu Hause ankam, wusste er nicht mehr, was er denken sollte.
Terry konnte der Versuchung nicht widerstehen, seiner Familie davon zu erzählen; er musste einfach mit jemandem darüber reden. Seine Frau Aggy und seine beiden halbwüchsigen Söhne nahmen an, dass er getrunken hatte, und machten sich während des Abendessens über ihn lustig. Zwischen schallenden Lachsalven prosteten sie ihm immer wieder mit imaginären Flaschen zu und taten so, als würden sie einen kräftigen Schluck nehmen, bis Terry schließlich verstummte. Trotzdem konnte er das Thema nicht auf sich beruhen lassen, bis Aggy ihn irgendwann entnervt aufforderte, endlich die Klappe zu halten und nicht mehr irgendwelchen Schwachsinn von höllischen, weißhaarigen Monstern und glühenden Feuerbällen zu faseln, weil sie in Ruhe ihre Lieblingsfernsehserie Eastenders sehen wollte.
Und so stand er nun im Bad, schrubbte sich die Zähne und fragte sich, ob die Hölle wohl wirklich existierte, als er plötzlich einen unterdrückten Schrei hörte – das typische Quieken seiner Frau, das sie normalerweise für Mäuse oder verirrte Spinnen im Bad reservierte. Aber ihr Kreischen erstarb, bevor es sich zu dem bekannten Schrei steigern konnte.
Sofort schrillten seine Alarmglocken; seine Nerven vibrierten wie elektrisiert, und er wirbelte herum. Doch im nächsten Moment wurde es schwarz um ihn und die Welt schien sich zu drehen, als ihm irgendetwas die Beine wegschlug und ihn an den Fußknöcheln hochriss. Seine Arme und Beine wurden so kraftvoll zusammengedrückt, dass er gar nicht den Versuch unternahm, sich zu wehren. Dann wickelte sich ein festes Material um seinen ganzen Körper, bis er sich vorkam wie eine Teppichrolle; und schließlich wurde er in die Waagerechte gewirbelt und weggetragen, als wäre er tatsächlich ein aufgerollter Teppich.
Schreien war unmöglich, da sein Mund zugestopft war und er nur mit größter Mühe überhaupt noch atmen konnte. Einen Moment lang glaubte er, die Stimme von einem seiner Söhne zu hören, aber der Schrei war so kurz und unterdrückt, dass er sich nicht sicher war. Nie zuvor hatte er solche Angst um seine Familie und um sich selbst gehabt – oder sich so hilflos gefühlt.
3
Das Highfield Museum war eine Rumpelkammer – ein Lager für überflüssige Besitztümer, denen die örtliche Müllkippe erspart geblieben war. Man hatte es in den Räumlichkeiten des ehemaligen Rathauses untergebracht und diese einfach mit ein paar willkürlich verteilten Glasvitrinen bestückt, die mindestens so alt waren wie die darin ausgestellten Objekte.
Dr. Burrows ließ sich in einem Furcht einflößenden Zahnarztstuhl aus der Jahrhundertwende nieder, um seine Sandwiches zu verspeisen, die er wie üblich auf einer Vitrine mit Zahnbürsten vom Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ausbreitete. Er schlug seine Ausgabe der Times auf und kaute auf einem schlaffen Salami-Mayonnaise-Sandwich herum, scheinbar unbeeindruckt von den darunter liegenden, schmutzverkrusteten zahnmedizinischen Geräten, die ein paar wohlwollende Bürger dem Museum vermacht hatten, anstatt sie wegzuwerfen.
In den Vitrinen im großen Saal des Museums, in dem Dr. Burrows nun saß, befanden sich zahlreiche ähnliche Schaustücke, die ebenfalls vor der Müllabfuhr »gerettet« worden waren. Die »Küche aus Großmutters Zeiten« präsentierte ein umfangreiches Sortiment von abgenutzten Schneebesen,
Weitere Kostenlose Bücher