Tunnel - 01 - Das Licht der Finsternis
Abraum wegschaffen«, fuhr Dr. Burrows fort. Er stieß mit dem Stiefel gegen einen Lehmklumpen auf dem Boden des Tunnels. »Schließlich wollen wir nicht, dass es hier unten zu beengt wird, oder?«
»Nein«, erwiderte Will vage, allerdings ohne feste Absicht, wirklich etwas zu unternehmen. Die freudige Erregung über eine Entdeckung führte bei ihm nur allzu häufig dazu, dass er die Sicherheitsmaßnahmen vernachlässigte, die sein Vater zu ergreifen versuchte. Wills ganze Leidenschaft galt dem Ausschachten, und die »Hausarbeit« – wie Dr. Burrows es nannte – war das Letzte, womit er seine Zeit vergeuden wollte. Außerdem bot sein Vater nur selten seine Hilfe bei den eigentlichen Grabungsarbeiten an und tauchte in der Regel erst dann auf, wenn ihm sein »Gefühl« baldigen Erfolg versprach.
Dr. Burrows pfiff geistesabwesend vor sich hin und verlangsamte seine Schritte, um einen Turm ordentlich gestapelter Eimer und einen Haufen Holzplanken zu inspizieren. Als sie ihren Weg durch den langsam ansteigenden Tunnel fortsetzten, blieb er noch ein paarmal stehen und überprüfte die Holzstützen auf beiden Seiten. Während er mit der Hand gegen die Stempel schlug, schwoll sein unmelodisches Pfeifen zu unerträglicher Lautstärke an.
Schließlich verlief der Tunnel wieder waagerecht und öffnete sich zu einer größeren Kammer, in der ein Tapeziertisch und zwei ramponierte Sessel standen. Vater und Sohn deponierten einen Teil ihrer Ausrüstung auf dem Tisch und kletterten dann das letzte Stück des Tunnels zum Ausgang hinaus.
In dem Moment, als die Rathausuhr sieben schlug, hob sich in einer Ecke des Temperance-Square-Parkplatzes eine Wellblechplatte wenige Zentimeter. Es war Frühherbst, und die Sonne verschwand bereits hinter dem Horizont, als Vater und Sohn – zufrieden, dass die Luft rein war – das Blech beiseiteschoben, sodass die große, mit Holz gestützte Öffnung im Boden zum Vorschein kam. Vorsichtig streckten sie die Köpfe heraus, prüften ein weiteres Mal, ob niemand auf dem Parkplatz zu sehen war, und kletterten aus dem Loch. Nachdem sie das Blech wieder über den Tunneleingang geschoben hatten, verteilte Will mit den Schuhen zur Tarnung etwas Dreck und Geröll über die Platte.
Eine Brise rüttelte am Bretterzaun rund um den Parkplatz, und eine Zeitung rollte über den Boden wie ein Papierknäuel, bevor ihre einzelnen Seiten in alle Richtungen davonflogen. Als die untergehende Sonne die Silhouetten der umliegenden Lagerhäuser schärfer hervortreten ließ und ihre letzten Strahlen die weinroten Fassaden der nahen Peabody-Estate-Mietshäuser erglühen ließen, wirkten die beiden Burrows, die über den Parkplatz schlenderten, wie zwei Goldgräber, die von ihrem Claim in die Stadt zurückkehrten.
2
Auf der anderen Seite von Highfield stand Terry Watkins, von seinen Arbeitskollegen nur »Tipper Tel« genannt, in seiner Pyjamahose vor dem Badezimmerspiegel und putzte sich die Zähne. Er war müde und brauchte eigentlich dringend ein paar Stunden Schlaf, aber seine Gedanken überschlugen sich noch immer – denn er hatte am Nachmittag Dinge gesehen, die ihn nicht zur Ruhe kommen ließen.
Terry hatte einen fürchterlich langen und anstrengenden Tag hinter sich. Sein Sprengtrupp kümmerte sich zurzeit um den Abriss der uralten Bleiweißfabrik, um Raum für ein neues Verwaltungsgebäude für irgendein Ministerium zu schaffen. Eigentlich wäre er nach Arbeitsschluss am liebsten direkt nach Hause gegangen, doch er hatte seinem Boss versprochen, ein paar Schichten Mauerwerk im Keller zu entfernen, damit sie die Stärke der Fundamente besser einschätzen konnten. Eine Überschreitung des Kostenvoranschlags – ein Risiko, mit dem man bei diesen alten Gebäuden immer rechnen musste –, war das Letzte, was seine Firma sich leisten konnte.
Während der tragbare Baustrahler hinter ihm den Raum in gleißendes Licht tauchte, hatte er seinen Vorschlaghammer geschwungen und die handgefertigten Ziegelsteine zertrümmert, bis ihr leuchtend rotes Inneres zum Vorschein kam wie bei ausgeweideten Tieren. Wieder und wieder ließ Terry den Hammer gegen die Mauer krachen, während die Splitter über den rußbedeckten Boden des Untergeschosses flogen und er vor sich hin fluchte, weil dieser ganze verdammte Gebäudekomplex einfach viel zu solide gebaut war.
Nach weiteren Hammerschlägen wartete er einen Moment, bis sich die Wolke aus Ziegelstaub gesetzt hatte. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass der Bereich
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