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Twig im Dunkelwald

Twig im Dunkelwald

Titel: Twig im Dunkelwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Stewart
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nicht so schnell rennen. Er sagte immer nur: ›In den Schiffen hätte doch eigentlich Leberbirkenholz sein sollen!‹«
    »Hätte ja auch«, murmelte Slyvo finster. »Da hätten wir eine goldene Nase dran verdient …«
    »Aber der Captain rannte nicht weg, o nein, der nicht, nicht Wolkenwolf.« Tem kicherte. »Er zog nur seinen großen Säbel und drosch auf sie ein, immer dicht gefolgt von Hubble. Es wurde ein Gemetzel, aber es verlief ganz anders, als die Flachköpfe es sich ausgerechnet hatten. So sind wir auch zu Haudrauf gekommen. Zuletzt war nur noch einer übrig. Ein hervorragender Soldat, aber man muss ein Auge auf ihn haben … Bei dieser Gelegenheit hat der Captain auch sein Auge eingebüßt. Ein angemessener Preis, wie er findet.«
    »Genug, Tem«, seufzte der Captain.
    »Dass ich meinen Unterkiefer verloren habe, war kein angemessener Preis«, mischte sich Klotzkinn ein. Die Prothese aus Eisenholz quietschte beim Sprechen. »Ich hatte unseren Gegnern den Rücken zugewandt und richtete etwas am Enterbalken, da schleicht sich Ulbus Pentephraxis mit einem Beil von hinten an mich ran. Ich hatte keine Chance!« Er spuckte ins Feuer. » Der ist jetzt Kapitän der Liga in Unterstadt und lebt in Saus und Braus. Die Liga!« Er räusperte sich und spuckte wieder aus.
    »So schlimm sind die gar nicht«, sagte Slyvo näselnd und rückte näher ans Feuer. »Als ich noch in Unterstadt war …«
    »Zacke«, unterbrach ihn der Captain. »Hast du den Kurs berechnet?« Der Eichenelf nickte. »Braver Junge«, lobte der Captain. Dann sah er sich, auf einmal sehr ernst geworden, im Kreis der Piraten um. »Die drei Regeln der Luftschifffahrt: Setze erst Segel, wenn der Kurs feststeht, fliege nie höher, als deine längste Ankertrosse reicht, und gehe nie in unbekannten Gefilden vor Anker.«
    Die Piraten nickten stumm. Sie alle wussten, wie gefährlich es war, auf dem unermesslich weiten grünen Blättermeer den Kurs zu verlieren. Das Feuer war fast heruntergebrannt. Twig sah, wie die letzten Flammen sich in dem Auge des Captains spiegelten.
    »Einmal habe ich den Fehler gemacht«, fuhr er nachdenklich fort. »Ich bin gelandet, wo ich nicht hätte landen sollen.« Er seufzte. »Aber damals hatte ich keine Wahl.«
    Die Piraten wechselten überraschte Blicke. Der Captain sprach sonst nie von sich. Sie füllten ihre Becher auf und rückten erwartungsvoll näher. Hinter ihnen ragte der dunkle Wald empor.
    »Es war eine regnerische und stürmische Nacht«, begann Kapitän Quintinius Verginix oder Captain Wolkenwolf. Twig wurde ganz kribblig vor Aufregung. »Eine kalte Nacht«, sagte er, »eine Nacht tragischer Ereignisse.« Twig hing an seinen Lippen.

    »Ich diente damals auf einem Schiff der Liga.« Wieder sah der Captain sich im Kreis der Gesichter um, die in den Schein des ausgehenden Feuers getaucht waren und ihn mit offenen Mündern und großen Augen anstarrten. Er lächelte. »Ihr Halunken haltet mich für einen gestrengen Herrn, aber ihr hättet mal unter Multinius Gobtrax dienen sollen. Er war skrupellos und ein schrecklicher Pedant und er hat seinen Leuten das Letzte abverlangt – einem schlimmeren Ligakapitän werdet ihr nie begegnen.«
    Twig beobachtete die Glühwürmchen, die in der Luft tanzten, hinter Blättern verschwanden und wieder hervorschossen. Es war nun windstill und seine Haare und seine Haut waren feucht. Er kaute auf einem Zipfel seines Halstuchs.
    »Das müsst ihr euch mal bildlich vorstellen«, sagte der Captain.
    Twig schloss die Augen.
    »Wir waren nur zu fünft an Bord und bloß vier von uns waren in der Lage das Schiff zu steuern: Gobtrax und sein Leibwächter, der Steinpilot und ich. Maris war im neunten Monat schwanger. Der Sturm hatte uns überrascht und vom Kurs abgetrieben. Schlimmer noch, der Aufwind war ungeheuer stark. Bevor wir noch die Anker lichten konnten, wurden wir in die Luft gerissen, hoch über den Wald und in den offenen Himmel hinein.«

    Twig wurde ganz schwindlig. Vom Weg abzukommen war schon schlimm, aber sich im offenen Himmel zu verirren …
    »Wir strichen die Segel, stiegen aber trotzdem weiter. Ich kniete neben Maris hin. ›Es wird alles gut werden‹, sagte ich, obwohl ich es selbst nicht glaubte. Nie würden wir es bis Unterstadt schaffen, bevor die Wehen einsetzten, und selbst wenn – die Geburt des Kindes war kein Grund zum Feiern.«
    Twig machte die Augen auf und sah den Captain an. Der starrte in die Glut des Feuers. Seine Finger spielten unruhig mit den gewachsten

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