Typisch Bär! - Geschichten zum Vorlesen
Wald zurück?«
»Natürlich.« Der Zauberer setzte sich hin.
Der Bär machte Tee, und als sie dann am Tisch saßen, die dampfenden Tassen vor sich, begann der Zauberer mit seiner Erklärung.
»Ich übte meinen neuesten Trick, der darin besteht, dass ich mich selbst wegzaubere. Ein sehr schwerer Trick, klappt nicht immer. Vor allem weiß man nie, wo man ankommt. Nun, jedenfalls, heute Morgen gelang mir der Trick und plötzlich stand ich in Rom. Nur leider hatte ich meinen Koffer nicht mit weggezaubert. Hatte die entsprechende Formulierung im Zauberspruch vergessen.«
»Rom? Sag mal«, unterbrach der Bär eilig, »was ist denn bloß dieses Rom? Angeblich führen alle Wege nach Rom.«
»Rom ist eine Stadt. Eine große Stadt. Eine laute Stadt. Und das mit den Wegen, das ist nur ein Sprichwort. Ziemlich bedeutungslos.«
»Groß«, wiederholte der Bär. »Und laut. Wer will da schon hin?«
»Eben. Und dann auch noch ohne Koffer. Ich wollte mich gleich zurückzaubern, aber zurück ist noch viel schwierigerals nur weg. Verstehst du? Also war ich in Rom wieder weg, aber landete nicht hier im Wald, sondern in Paris. Danach in London, dann in Sydney, Australien, dann in der Wüste Sahara. Die reinste Weltreise. Und erst nach zwanzig Versuchen landete ich wieder im Wald, neben meinem Koffer, der sich aber in einen Zettel verwandelt hatte.«
Der Bär nickte, denn er hatte alles begriffen: »Gar nicht so leicht, dieses Zaubern, oder? Wenn ich das so höre ...«
»Es gibt leichte und schwere Tricks«, sagte der Zauberer. »Wegzaubern ist das Schwerste. Zurückzaubern noch mehr, das ist das Allerschwerste. Fast unmöglich. Kaum jemand kann das.«
»Übung macht den Meister«, warf der Bär ein und war glücklich, dass er endlich einmal wieder eines seiner gesammelten Sprichwörter verwenden konnte.
Bald verabschiedete sich der Zauberer. Er wollte doch noch einmal nach Rom, diesmal mit Koffer.
»Nimm irgendeinen beliebigen Weg«, sagte der Bär und winkte dem Zauberer nach.
Später, vor dem Schlafengehen, fand er eine gelbe Tulpe aus Papier. Sie musste aus dem Koffer des Zauberers gefallen sein. Die Tulpe war geschlossen. Obwohl sie aus Papier war, stellte er sie in die Vase.
Am nächsten Morgen sah er, dass sich die Papiertulpe geöffnet hatte. Und das, wahrlich, konnte nur durch Zauberei geschehen sein.
Auf dem Hügel
Hin und wieder saß der Brillenbär auf dem Hügel in der Nähe seiner Hütte und sah hinüber nach Westen.
Wenn ihn jemand fragte, warum er dort saß, sagte er nie die Wahrheit, denn es war sein Geheimnis, dass er die Bärin so mochte.
Er sagte: »Die Luft ist dort besonders gut.« Oder: »Das Gras ist dort weicher als anderswo.« Oder: »Die Vögel singen dort so schöne Lieder, die von dem Gras und der Luft auf dem Hügel handeln.«
Manchmal saß er stundenlang da oben, fast ohne sich zu bewegen. Er hörte nichts als den Wind, manchmal eine Vogelstimme, manchmal ein leichtes Rascheln, wenn eine Eidechse sich durch das Gras schlängelte.
Der Bär sah nicht nach den Vögeln und den Eidechsen. Er sah auf den Weg hinab. Bei jedem Stecknadelkopf, bei jeder Ameise hoffte er insgeheim, es möge die Bärin sein.
Es kam vor, dass er sich einsam fühlte. Und einmal unterhielt er sich sogar mit einer Butterblume, die da oben auf dem Hügel wuchs.
Er erzählte ihr von der Bärin und wie er sie kennengelernt hatte.
»Das ist bestimmt kein Zufall«, sagte er. »Das Schicksal hat sie zu mir geschickt. Vielleicht gibt es auch gar keine Zufälle.«
Die Butterblume nickte verständnisvoll und der Bär redete weiter: »Was auf den Bäumen wächst, ist nicht zufällig, sondern es ist regelmäßig. Jahr um Jahr, sozusagen. Was auf der Wiese wächst, ebenso. Du zum Beispiel. Du wächst hier, kein bisschen Zufall dabei. Wer will, kann dich ansehen und mit dir sprechen. Oder dich pflücken.«
Die Butterblume zuckte ein wenig zusammen, zumindest schien es dem Bären so. Schnell sagte er: »Entschuldige, war nicht so gemeint. Niemand soll dich pflücken und niemand soll auf dich drauftreten.«
Die Butterblume war erleichtert. Das zeigte sie, indem sie sich zur Seite neigte und ihre Blütenblätter im Wind flattern ließ.
»Das Glück wächst nicht auf Bäumen. Das Glück trifft man unten auf dem Boden, meistens auf Waldwegen. Und manchmal in Bärenfallen. Ein Glück ist auch, dass ich den Löwen kenne. Der Löwe, musst du wissen, ist mein Freund. Das bedeutet etwas. Freunde wachsen auch nicht auf Bäumen, es
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