Tyrann Aus Der Tiefe
ehe wir das Hotel verließen.
»Hören Sie die Glocke?«, fragte ich.
Bannermann legte den Kopf auf die Seite, lauschte einen Moment und nickte dann. »Und?«
»Das sind keine Kirchenglocken, Bannermann«, sagte ich. »Sondern die Brandglocke. Am Ende der Straße brennt ein Haus. Und ich war vor ein paar Minuten noch drin.«
Bannermann blickte mich einen Moment zweifelnd an, ließ meinen Arm los und ging mit raschen Schritten zum Fenster. Fast eine Minute lang sah er auf die Straße hinab, ehe er sich umdrehte und mich erneut ernst und durchdringend ansah. »Ich sehe ein brennendes Haus«, sagte er. »Mehr aber auch nicht.«
»Es war eine Falle«, behauptete ich.
»Für Sie?«
»Für mich, Sie, einen Ihrer Männer – den ersten, der hineintappt.« Ich sprang auf, packte ihn bei den Schultern und deutete aufgeregt aus dem Fenster. Der Laden brannte wie ein überdimensionaler Scheiterhaufen. »Verdammt, Bannermann – begreifen Sie nicht? Die Mächte, die Ihr Schiff zerstört haben, geben sich nicht damit allein zufrieden. Sie werden nicht eher ruhen, bis auch der letzte von uns tot ist.«
Bannermanns Blick wurde hart. Mit einem wütenden Ruck streifte er meine Hände ab und trat einen halben Schritt zurück. »Wenn es so ist, dann hat es ja wohl keinen Sinn davonzulaufen, nicht wahr?«
Ich schwieg verwirrt, rang einen Moment nach den richtigen Worten und setzte schließlich zu einer Antwort an, aber Bannermann ließ mich gar nicht erst zu Worte kommen. »Verdammt, Craven, ich habe allmählich genug! Reicht es Ihnen noch nicht, dass ich mein Schiff und den größten Teil meiner Besatzung verloren habe? Reicht es Ihnen nicht, dass ich wahrscheinlich mein Kapitänspatent verlieren und nie wieder ein Schiff kommandieren werde? Sind Ihnen die fünfzig Männer, die vor diesem verdammten Riff ertrunken sind, nicht genug?« Plötzlich begann er zu schreien. »Verdammt, Craven; ich habe genug von Ihnen und Ihrer so genannten Hexerei! Es interessiert mich nicht, ob Ihr Großvater oder sonst wer einen Fluch auf sich geladen hat oder nicht! Das ist Ihr Problem, Craven, nicht meines, also sehen Sie zu, wie Sie es lösen, und lassen Sie mich da raus! Ich habe endgültig genug!«
Ich starrte ihn an. Von dem ruhigen, stets gefassten und überlegten Mann, als den ich ihn gekannt hatte, war nichts mehr geblieben. Bannermann zitterte. Sein Gesicht war bleich wie die Wand, vor der er stand, und in seinen Augen flackerte ein gefährliches, warnendes Feuer. Seine Hände waren erhoben und halb geöffnet, als wolle er mich packen. Aber sein Zorn verrauchte so schnell, wie er gekommen war.
Unsicher blickte er mich an, schluckte ein paar Mal und fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht, ehe er sich abwandte. »Verzeihen Sie«, sagte er. »Ich … habe die Beherrschung verloren.«
»Das macht nichts«, antwortete ich. »Ich verstehe Sie, Bannermann.«
Sein Kopf flog mit einem Ruck in die Höhe, und für einen Moment fürchtete ich schon, erneut einen Fehler begangen zu haben. Aber seine Stimme war ruhig, als er antwortete: »Sie sagen, wir müssen weg?«
Ich nickte. Bannermanns Worte hatten mich den eigentlichen Grund meines Hierseins beinahe vergessen lassen. »Sofort«, sagte ich. »Rufen Sie Ihre Leute zusammen, Bannermann. Dieser Ort ist eine Falle. Ich kann es Ihnen jetzt nicht erklären, aber ich bin gerade mit knapper Not einem Mordanschlag entkommen, und sie werden es wieder versuchen.«
Bannermann sah sich im Zimmer um, als erwache er aus einem tiefen, von üblen Träumen geplagten Schlaf. »Gut«, murmelte er. »Gehen Sie … ins Nebenzimmer und holen Sie Ford und Billings. Ich … rufe die anderen.«
Ich verließ das Zimmer, stürmte über den Gang und betrat ohne anzuklopfen einen der anderen Räume. Die beiden Matrosen lagen komplett angezogen auf ihren Betten und schliefen; ich musste sie mit aller Macht schütteln und anschreien, um sie wach zu bekommen, und selbst dann war ich mir nicht sicher, ob sie meine Worte wirklich verstanden.
Das Läuten der Brandglocke war lauter geworden, als wir zu dritt auf den Flur hinausstürmten, und von der Straße wehten die aufgeregten Stimmen zahlreicher Menschen herauf. Die ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein, um den brennenden Laden zu löschen. Auch Bannermann und die drei anderen Männer waren bereits wieder auf dem Korridor.
Ohne ein weiteres Wort fuhr ich herum, stürmte an Bannermann vorbei auf die Treppe zu – und prallte zurück.
Wir waren nicht mehr
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