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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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hinein. Viele waren monatelang gereist, um an dem “Großen Gebet” teilzunehmen. Leute fielen rechts und links um, sobald sie nicht mehr von dem Druck der Umgebenden aufrecht gehalten wurden; bestimmt starben mehrere. Ein paar Sirenen heulten auf, aber niemand nahm sich der Liegenden an, die jetzt hoffentlich auf dem Weg in die Reinen Länder waren.

    Lhasa lernte man in wenigen Tagen kennen. Die Stelle, die wir wirklich besuchen wollten, war Tsurphu, der Hauptsitz der Karmapas. Er liegt nur 70 Kilometer nordwestlich der Stadt, aber dorthin zu gelangen, wurde ein Riesenzirkus. Als der unmögliche Fahrer endlich verkatert ankam - mehrere Stunden zu spät - und ihm das Starten des Lasters gelang, war er so klug, einen Mann mit einer Menge Holz unmittelbar vor einem chinesischen Kontrollposten aufzulesen. Westlern war das Reisen außerhalb der genehmigten Gruppen nicht erlaubt, und so sollten wir den Wagen verlassen. Wir fotografierten die Chinesen und drohten ihnen eine halbe Stunde lang, uns über sie zu beschweren. So wagten sie nicht mehr, den Fahrer zu bestrafen, und gaben ihm seine Papiere zurück. Wir konnten also weiterfahren, wurden jedoch noch zweimal vom Militär gestoppt und mussten auch ein paar Kilometer um einen Kontrollposten herumlaufen.

    Die Ruinen von Tsurphu

    Nach 40 Kilometern bogen wir an einem besonders gezackten Berg vom geteerten Hauptweg nach Golmund im Norden ab. Ein steiniger Pfad führt das Tal hinunter, an dessen Ende Tsurphu liegt. Einige Kilometer vor dem Kloster gab der Fahrer einfach auf. Sein Stil hatte sich seit dem Morgen keineswegs verbessert, und nun fand er, dass es zu eisig sei. Wir schleppten also unser Gepäck weiter, während das Holz später auf Yakochsen nachkommen sollte. Langweilig war es nicht. Wir befanden uns in 4,2 Kilometern Höhe, in strahlendem Vollmondlicht. Einschließlich eines Reifenwechsels hatte die Fahrt zwölf Stunden gedauert.
    Das Gebiet ist magisch und unwirklich. Schwer beladen stolperten wir den Pfad entlang, den die wichtigsten Lehrer unserer Linie seit 1150 benutzt hatten. Nach einer letzten Anhöhe waren wir von zerstörten Mauern umgeben. Sie erinnerten mich an Bilder von dem ausgebombten Hamburg nach dem Krieg.
    Der Eingang eines dürftigen Neubaus war durch eine einzige Gaslampe erhellt. Im Inneren wartete ein Dutzend älterer Lamas mit vielen Fragen. Nach Tsampa und Tee führten sie mich nach oben in ihr bestes Zimmer, in dem nur Jamgön Kongtrul Rinpoche bisher geschlafen hatte. Als ich Hannah aufforderte, mitzukommen, machten sie große Augen und wurden ganz unglücklich, da sie sahen, dass unsere Schlafsäcke zusammengefügt waren. Schließlich waren sie ja Mönche. Um ihre Geistesruhe zu retten, trennten wir die Schlafsäcke und legten auch die Matratzen auseinander, was sie sichtbar erleichterte.
    Es war schwer, in der dünnen Luft zu schlafen. Außerdem war die Energie der Stelle gewaltig. Ich glitt durch Träume, die mehrere Lebenszeiten umfassten. Während der Morgendämmerung, als ich mich plötzlich umdrehte, bekam ich einen besonderen Segen: Ich sah direkt in das blau-schwarze Hundegesicht des Landschützers Shing Kyong, der auf Tsurphu aufpasste, und der für Shamarpa und Tenga Rinpoche sehr wichtig war.

    Diese berühmte Liebevolle Augen - Abbildung entstand von selbst auf einem Fels bei Tsurphu. Während der Zerstörung wurde sie unkenntlich. Seit das Kloster erneut aufgebaur wird, tritt sie wieder hervor.

    Nach dem Verschenken von unzähligen eingeschweißten Papersafe-Bildern Karmapas, der Lehrer der Linie und von Schwarzer Mantel nahmen wir den Lastwagen zurück nach Lhasa. Von dort aus wollten wir eine Fahrt planen, die vorher noch kein Weißer geschafft hatte: einen Monat zu den heiligen Stellen der Karmapas im verbotenen Osttibet.

    Um Mitternacht, der Mond war fast voll, stiegen wir auf einen offenen Lastwagen, und die geheime Reise begann. Ein Dutzend Khampas drängte sich schon mit Gepäck auf der ungeschützten Ladefläche. Da die chinesischen Kontrollposten nachts unbesetzt waren, mussten wir durchfahren; der erste Halt würde erst am nächsten Morgen sein. In einem Flussbett, in dem die Büsche den Wagen versteckten, mischten die Leute Gerstenmehl und Tee, Tsampa genannt, was wir dann mit Proteinpulver und Vitaminen anreicherten. Das verband das Vorhandene mit dem Gesunden.
    Mich verwunderte die fehlende Höflichkeit der mitfahrenden Khampas, aber allmählich verstand ich, warum. Während der Neujahrsfestlichkeiten

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