Über Boxen
Männlichkeit, aber sein Kampf war das pure Gegenteil von Dempseys ungebremster Aggression: «kühler, verhaltener, methodischer – ‹teutonisch›.» Als junger Mann war Schmeling stolz darauf gewesen, dass er mit deutschen Intellektuellen wie dem Regisseur Josef von Sternberg, dem Maler George Grosz und Thomas Manns Bruder Heinrich Mann verkehrte: «Künstler, schenkt mir eure Gunst, Boxen ist doch auch ’ne Kunst», schrieb er einem von ihnen ins Gästebuch. Er war klug genug gewesen, niemals der Partei beizutreten, zum Teil auch, weil er für eine lukrative Karriere vom amerikanischen (das heißt von Juden gemanagten) Boxen abhängig war; dennoch profitierte Schmeling von der Protektion hochrangiger Nazis und der Bewunderung Hitlers. In den Vereinigten Staaten legte er Wert auf eine Trennung von Politik und Sport, während er in Deutschland bereitwillig die Hand zum Hitlergruß hob und die «Nazifizierung» des Sports hinnahm. Seine klügste Entscheidung war die Unterschrift unter einen Vertrag, mit dem er sich als relativ junger Boxer verpflichtete, in Amerika unter den Fittichen von Joe Jacobs zu boxen, einem jüdischen Manager, dem er trotz des verheerenden Antisemitismus des Dritten Reiches treu blieb. Margolick schreibt: «Er hatte das Beste aus beiden Welten: Er verdiente eine Menge Geld … und erfreute sich der Unterstützung seiner Landsleute und seiner Regierung. In allem, was er damals sagte oder tat, gibt es keine Anhaltspunkte, die darauf hinweisen würden, dass er unter der Situation gelitten hätte.» Schmelings größter Coup, einträglicher als jede Kampfb örse, war die Vertriebslizenz für Coca-Cola in Norddeutschland, die ihn in genau jener Zeit zum reichen Mann machte, als Joe Louis, den die Firma aus Atlanta niemals um einen Werbeauftritt gebeten hatte, von seinen Schulden erdrückt wurde.
Als das Boxen in Amerika in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts seinen Höhepunkt erreichte, «traf man» laut Margolick «überall auf Juden, nicht nur unter den Boxern selbst und unter den Fans, sondern auch unter Promotern, Trainern, Managern, Schiedsrichtern, Werbeleuten, Sportartikelherstellern, Ausrüstern und Berichterstattern». (Jüdische Boxer? Die berühmtesten waren die Leichtgewichtschampions Benny Leonard und Barney Ross. Markttaugliche jüdische Schwergewichtler waren so rar, dass Max Baer, ein charismatischer Champion von 1934 – 1935 , den Davidstern auf der Hose trug, obwohl er nach jüdischen Begriffen gar kein Jude war. 3 ) Louis und Schmeling waren während ihrer ganzen Karriere mit jüdischen Boxstallbesitzern verbunden, die beide Jacobs hießen, Mike und Joe. Sie waren allerdings nicht miteinander verwandt und zudem von äußerst unterschiedlichem Temperament: Mike Jacobs der mürrische, humorlose Promoter, den niemand so recht mochte, Joe Jacobs «durch und durch ein Mensch des Broadway»,überall beliebt, selbstbei denen, die ihm nicht über den Weg trauten. Während Joe Jacobs «unerschütterlich hinter seinen Boxern [stand], für die er sich aufrichtig und ehrlich engagierte», zeigte Mike Jacobs so wenig Interesse an seinen Boxern, dass er sich manchmal nicht einmal die Mühe machte, sich ihre Meisterschaftskämpfe anzusehen. «Ihmging es in erster Linie darum, eine Show aufzuziehen, die Konkurrenten zu übertrumpfen und eine ausverkaufte Halle zu haben … An Kampfabenden konnte man ihn häufig auf Kontrollgängen durch das Stadion sehen, manchmal verkaufte er sogar selbst Karten.»Doch «Uncle Mike» war verantwortlich für Joe Louis’ phänomenale Karriere; er finanzierte den jungen Boxer von Anfang an und machte ihn zum Champion, indem er Louis dem weißen Publikum so verkaufte, dass das Bild des exzentrischen Jack Johnson in Vergessenheit geriet. Margolick schreibt:
Louis sollte das Gegenbild von Jack Johnson werden. Er sollte leise sprechen und stets zurückhaltend und höflich bleiben, egal, was er gerade geleistet hatte. Er sollte im Ring Gegner nicht verhöhnen oder über sie lachen … Er sollte ernst auftreten … In Bezug auf Frauen sollte er sich ausschließlich an schwarze Mädchen halten, und eine sich anbahnende Beziehung sollte rein platonisch bleiben, zumindest vorerst. Er sollte nie mit weißen Frauen herumziehen und sich auch niemals mit ihnen fotografieren lassen. Er sollte keine schnellen Autos fahren, vor allem keine roten … die Presse sollte gefüttert werden mit Storys über Louis’ warmherziges Wesen, über seine Liebe zu seiner
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