Ueber den Horizont hinaus - Band 1
nur sein, wo du bist.“
„Sieh nur hin“, ermunterte ihn Giovanni erneut. „Wir sind alleine. Du hast uns an den ruhigsten, einsamsten und gleichzeitig schönsten Ort geführt, den ich mir nur erträumen könnte.“
„Und wo sollte das sein?“ Nun blinzelte Lasse doch, drehte seinen Kopf und schmiegte seine Wange gegen den Stoff, während er aufsah. „Oh“, stieß er hervor.
„Nicht wahr?“, lachte Giovanni glücklich.
„Wo sind wir?“, fragte Lasse. „Es sieht aus als flögen wir… durch die Sterne.“
Amüsiert schüttelte Giovanni seinen Kopf. „Auf ruhiger See“, antwortete er leise. Die Sterne spiegeln sich in der glatten Oberfläche und wir schweben. Wir schweben über das Wasser.“
„Ja“, murmelte Lasse. „Und wir sind allein.“
„Niemand kann uns sehen“, bestätigte Giovanni. „Niemand wird je wissen, wo wir sind, oder was wir tun.“
„Dann lass uns hier bleiben“, antwortete Lasse. „Auf unserem eigenen Stern. Wie ich wünschte, dass es immer so sein könnte. Wenn du nur wüsstest wie sehr.“
„Aber das weiß ich doch“, flüsterte Giovanni zärtlich. „Glaub mir, ich weiß es.“
Ende
Gewitter
Es war heiß, unerträglich heiß. Und auch wenn Ivan sich glücklich schätzen konnte, dass er diese Arbeit gefunden – nein, dass sie ihm buchstäblich in den Schoß gefallen war – so ging es ihm im Augenblick doch nicht anders als seinen Kollegen, die zum Teil lautstark bereuten, sich nicht vorsätzlich krank gemeldet zu haben.
Natürlich beließen auch sie es bei Gedankenspielen und Tagträumen. Es lohnte sich nicht, die Arbeit zu riskieren. Nicht, wenn es immer noch schwer war, eine Stelle zu ergattern. Schwerer noch als für andere, für ‚normale‘ Menschen.
Obwohl Ivan zu den Jüngsten in der Runde zählte, machte er sich doch nichts vor. Eine Vergangenheit wie seine wog schwer. Und wenn er, wie im Augenblick, mit hochgekrempelten Ärmeln arbeitete, dann erinnerte ihn jeder Blick auf die zahlreichen winzigen Einstiche an der Innenseite seiner Arme daran, dass er ihr niemals entkommen konnte.
Auch wenn er schon lange Zeit clean und trocken war. Auch wenn er sich wirklich einbildete, sein Leben in den Griff bekommen zu haben, wusste er doch nicht nur von Hörensagen, sondern auch aus eigener Erfahrung, wie gefährlich die tönerne Brücke wackelte, auf der er balancierte.
Nein, es war ein Segen, dass sich im Landkreis ein Unternehmen niedergelassen hatte, welches sich zur Aufgabe gemacht hatte, ehemalige Drogenabhängige und andere auf ihrem Lebensweg gestrauchelte Menschen zu resozialisieren.
Im Allgemeinen schätzte Ivan seine Tätigkeit auch sehr. Er war an der frischen Luft, das Jahr über beschäftigt, und man hatte ihn gründlich angelernt.
Nicht zuletzt schenkte ein Blick zurück auf das Gebiet, das er bearbeitet hatte, eine tiefe Befriedigung, die, wie er nun und in seinem nüchternen Zustand endlich erkannte, jedem flüchtigen Rausch vorzuziehen war.
Zudem kam die Firma auch ordentlich in der Gegend herum. Sie bearbeitete sowohl öffentliche Anlagen, wie auch private Plätze.
Im Lauf der Zeit hatte sie sich dank des Fleißes und Einsatzes ihrer Mitarbeiter einen guten Namen gemacht und Ivan plante ebenso wenig wie einer der übrigen, einen Schatten auf diesen Namen zu werfen.
Auch nicht an einem Tag, der so heiß war, dass der Asphalt zu schmelzen schien.
Die Luft flirrte und das Atmen fiel schwer. Keiner sprach davon, aber jeder wusste, woran der andere wirklich dachte. Tage wie dieser bliesen den ständig schwelenden Durst zu einem alle übrigen Sinne betäubenden Drang auf.
Ein kühler Drink, ein kaltes Bier, ein Schuss am Abend. Jeder hing seiner Schwäche nach und jeder kämpfte für sich allein.
Ivan leerte eine weitere Flasche Wasser. Die Flüssigkeit verdampfte geradezu auf seiner Haut. Kaum war sie seine Kehle hinabgeflossen, schon drang sie wieder aus seinen Poren, trocknete ihn erneut innerlich aus.
Er schwitzte. Dennoch schichtete er unermüdlich die schweren Äste und Stämme auf die Lastfläche des Lieferwagens.
Am Vormittag hatten sie diese geschnitten, nun ging es an die Feinarbeit und ans Aufräumen.
Ivan arbeitete oft in diesem Teil des Parks. Dort gab es immer zu tun. Gerade als schwebte ein schlechter Stern über diesem Gebiet, schlugen Blitze stets hier ein. Randale und Feuer fanden statt. Aufräumarbeiten oder Neuanpflanzungen waren nirgendwo anders derart notwendig.
Und Ivan arbeitete gerne dort. Wenn er ehrlich zu
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