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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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kroch auf allen vieren, dicht an den Boden geschmiegt, und schob seine Flinte vor sich her. Während er sich so nach allen Regeln der Kunst anschlich, war ihm halb lächerlich zumute und halb unheimlich.
    Der Biber hatte sein Ziel erreicht und lag so dicht hinter dem Jüngling, daß er ihn ohne weiteres mit der Hand anfassen konnte. Vielleicht gab es Feinde, die das alles von irgendwoher beobachteten und denen er sich verriet, wenn er jetzt etwas unternahm. Aber er konnte den eitlen Elch doch nicht einfach sitzen lassen. Vom Rücken des Jünglings gedeckt, richtete der Biber den Oberkörper in die Höhe, packte den Ahnungslosen am Hals und legte den Körper langsam um. Der Angegriffene setzte sich nicht zur Wehr. Er strampelte nicht, griff auch nicht nach den Waffen, sondern legte sich, dem Zug der Hand folgend, einfach ins Gras und schaute den Biber aufmerksam an.
    »So etwas wie dich habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gefunden«, sagte der Biber, außer Fassung gebracht. Er ließ seinen Gefangenen los und legte sich einfach daneben. »Was sitzt du denn hier wie ein Pflaumenstrauch, der im Regen wachsen will?«
    »Ich habe auf dich gewartet«, antwortete Tatokano vergnügt.
    »Auf mich? Gewartet?«
    »Ja. Du hast gesagt, daß ich kommen darf. Hast du mir meine Generalsuniform aufgehoben?«
    Der Biber stöhnte leise. Es kam ihm plötzlich die Vorstellung, daß dieser Präriehund im Zylinder dem Häuptling Tokei-ihto begegnen könnte. »Weißt du«, sagte er, »du bist noch immer sehr dumm. Bei deiner Uniform sind wir noch nicht, noch lange nicht. Erst wirst du mir sagen, wie du hierhergekommen bist!«
    »Im Regen bin ich hierhergelaufen. Freddy Clarke, der große Fuchs, hat es mir genau beschrieben, wo ich mich hinsetzen muß. Er hat gesagt, du bist da, und ich soll auf dich warten.« Die Augen des Bibers weiteten sich. »So. Also Red Fox ist bei den Schützen gewesen und hat mich gesehen.«
    »Ja. Er hat gesagt, du bist ein tapferer Krieger und es sei eine Ehre für mich, ein Mädchen aus deinem Zelt zu heiraten.«
    Der Biber spie aus, was in der Rückenlage nicht ganz einfach war. »So. Und dann hat er dich hierhergeschickt?«
    »Ja. Er hat gesagt, ich kann bei euch bleiben.«
    »Ob du bei uns bleiben kannst, bestimmt Tokei-ihto und nicht Red Fox, verstehst du?!«
    Der General wurde unruhig. »Du hast es mir versprochen!«
    Dem Biber begann leicht übel zu werden. »Ja, aber«, verwahrte er sich, »jenseits des Mini-Sose solltest du zu uns kommen, im neuen Mond, wenn deine Eide für die Langmesser nicht mehr gelten. Was willst du jetzt bei uns? Geh und sieh dir das überflutete Tal an. Hast du Lust, heute nacht hinüberzuschwimmen?«
    »Nein, ich schwimme nicht hinüber.« Er lächelte.
    »Das ist einmal ein kluger Ausspruch von dir, du ehemaliger Besitzer einer Uniform. Ich kann dir nur sagen, daß selbst Tokei-ihto mit diesen Wassern zu kämpfen hatte.«
    »Oh! Oh! Er ist doch nicht schon hinübergelangt?«
    »Er ist schon am Nordufer! Den fangt ihr nicht mehr!«
    Eddy kaute leer und drehte die Augen rundum. »Das ist feige«, sagte er dann. »Als erster hinüber und euch hier sitzenlassen!«
    Der Biber schob sich dicht an den Burschen heran.
    »Noch ein einziges solches Wort – und es ist dein letztes!«
    Eddy Tatokano schien gänzlich aus der Richtung gekommen zu sein. »Wir dachten, er ist noch da. Dann hättest du mit ihm sprechen können.«
    »Ich werde noch oft und lange mit Tokei-ihto sprechen, wenn wir alle den Missouri bezwungen haben.«
    »Aber ihr kommt nicht hinüber, wenn Freddy Clarke es nicht will.« Eddy stotterte. Offenbar mußte er sich immer erst zurückerinnern, was ihm vorgesprochen worden war.
    »Das werden wir ja sehen. Mit euren paar Flinten könnt ihr uns nicht erschrecken.«
    »Wir sind zahlreich und stark!« drohte der Geck im Ton eines Generals. »Farmer und Hirten sind noch gekommen, die vor den Wassern aus dem Tal fliehen mußten. Sie haben Angst, daß Tokei-ihto ihre Weiber und Kinder tötet und ihre gefleckten Büffel stiehlt. Sie wissen, daß Tokei- ihto nach Rache dürstet wie ein verwundeter Bär.«
    »Grund hätte er, du elende Kröte. Das wissen sie, und darum fürchten sie ihn und glauben alle Weiberlügen.«
    »Aber euch hassen sie nicht.« Eddy Tatokano begann schneller zu sprechen; er schien in sein Fahrwasser zu kommen. »Ihr habt niemandem etwas getan, und ihr könnt auf die Reservation zurück oder nach Canada laufen; das ist Freddy Clarke ganz gleich. Freddy

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