Über den Missouri
noch viele starke und böse Wölfe unter den Menschen, und gegen diese mußte Hapedah weiter seinen Mut beweisen, auch wenn er keine Pfeile mehr schnitzte.
Als er wach wurde, erkannte er am Stand der Sterne, daß die Mitte der Nacht schon um eine Stunde überschritten war. Der Scout hatte mit zwei Dragonern zusammen Pferdewache. Hapedah ließ sich nicht anmerken, daß er aufgewacht war. Er blieb ruhig liegen mit scheinbar geschlossenen Augen. In Wahrheit beobachtete er in dieser einen Stunde vor seiner Flucht alles genau.
Endlich war es so weit, daß der bärtige, lederbekleidete Scout sich wieder schlafen legte. Er suchte sich einen windgeschützten Platz neben dem Zelt des Leutnants, wickelte sich ein und war auch schon eingeschlafen, wie seine gleichmäßigen Atemzüge verrieten. Hapedah wartete noch eine angemessene Zeit nach dem Wachenwechsel, der diesen oder jenen doch aufgeweckt haben konnte.
Die neuen Wachen waren zwei junge Dragoner, offenbar unerfahren und gleichgültig. Sie saßen bei den Pferden und schwatzten leise zusammen. Der Junge tat so, als ob ihm schlecht geworden sei. Er stand auf und ging offen, aber ohne Geräusch auf die Seite des Zeltes, die dem schlafenden Scout und den Wachen abgewandt war. Als er sich dort unbeobachtet wußte, legte er sich nieder, und jetzt begann der schwierige Teil seines Unternehmens. Er mußte im Gras wegkriechen, ohne daß die beiden Wachen auf ihn aufmerksam wurden.
Hapedah hatte oft geübt, unbemerkt zu schleichen, und er wandte diese Kunst jetzt mit aller Vorsicht an. Das hohe Frühlingsgras war günstig, auch seine kleine magere Gestalt. Wie eine Schlange bewegte er sich durch die Wiese. Noch war es stockdunkel. Hinter ihm rührte sich nichts. Die Wachen schienen gar nicht darauf zu achten, daß Hapedah nicht mehr hinter dem Zelt hervorkam und sich nicht wieder an seinen Schlafplatz legte. Sie saßen beisammen, schauten in die Nacht und schienen über ein Thema zu schwatzen, das sie beide stark interessierte. Hapedah hörte in der vollständigen nächtlichen Stille der Prärie noch lange die halblauten Stimmen.
Als er außer Sichtweite des Biwaks gelangt war, atmete er auf. Ob Ihasapa und Tschaske in der Nähe waren und ob sie etwas von seiner Flucht ahnten? Hapedah kroch auf einen Hügel und kläffte wie ein Kojote. Ein bestimmtes Gekläff galt bei der Bärenbande als Späherzeichen. Alle Knaben kannten es, und Hapedah hatte es bei seinem Vater Tschetansapa besonders gut geübt. Es dauerte nicht lange, bis das Zeichen beantwortet wurde.
Hapedah wartete an seinem Platz, bis Ihasapa zu ihm kam. Es wurden nicht viel Worte gemacht. Der Junge berichtete vor allem, was er von dem Vieh und dem Biberjäger gehört hatte.
Tschaske kam herbei. Die beiden Jungen und Ihasapa begannen einen Dauerlauf. Ihasapa schleppte dabei wieder das Bärenjunge mit, Tschaske die Bootsplane. Schnelle Füße hatten alle Dakota, wenn auch nicht alle so flink waren wie einst Tatokano, der elende Verräter.
Die Sonne war schon aufgegangen, aber der Morgen war noch frisch und kühl, als die drei in der Ferne Rinder brüllen hörten. Dieses Brüllen hatte einen ganz anderen Ton als das Brüllen der wilden Büffel. Hapedah und Tschaske fühlten auf einmal ihr Herz klopfen. Zahme gefleckte Büffel sollten sie künftig züchten. Ob das auch so elende, kümmerliche Tiere waren wie die abgetriebenen, halbverhungerten Kühe, die sie auf der Reservation erhalten hatten?
Die drei Dakota gebrauchten keine besondere Vorsicht. Sie liefen offen auf die Herde zu. Das Kriegsbeil war ja begraben, und niemand brauchte zu ahnen, daß sie zu der noch immer verfolgten Bärenbande gehörten. War aber Adams da, wie sie hofften, so konnten sie sich ihm zu erkennen geben, und er würde sie sicher freundlich begrüßen.
Die drei Dakota waren bemerkt worden. Ein Reiter kam ihnen entgegen. Es war ein Weißer, der einen Schecken ritt und nach Art der Cowboys eine lederne Joppe, ein buntes, langzipfliges Halstuch und einen hohen, breitkrempigen Hut trug. Sein Gesicht war hager und braungebrannt, sein Alter schwer zu bestimmen, da niemand sagen konnte, ob die vielen Falten von den Jahren oder von den Entbehrungen eingegraben waren.
Er galoppierte näher und riß dann wie ein Indianer plötzlich sein Pferd zurück, so daß es vor den beiden Jungen hielt.
Auch Ihasapa und die Bärenknaben waren stehengeblieben. »Ich begrüße meine jungen Brüder!« Der Weiße sprach Dakota. Seine Aussprache war den dreien fremd,
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