Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Hapedah: »Ihr auch, Thomas und Theo.«
    »Du willst dich wohl über uns lustig machen, du kleiner Bärensohn?«
    »Nein, ich will meinen großen Bruder Thomas nicht necken. Warum glaubst du das?!«
    »Weil mein Bruder Theo und ich die ärmsten Deuwel auf der Welt sind. Arm und lustig waren wir, als wir euren Häuptling Tokei-ihto als Knaben Harka kennenlernten und er uns aus Spaß eine Flinte wegstahl. Lustig sind wir schon lange nicht mehr, aber arm sind wir immer noch!«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Hapedah langsam und nachdenklich, »ich weiß nicht, ob gefleckte Büffel besitzen reich sein heißt. Gefleckte Büffel haben Thomas und Theo auch.«
    »Wo denn?«
    Hapedah zuckte hilflos die Achseln. »Ich verstehe dich nicht. Hier weiden doch unsere Büffel.«
    »Unsere? Deine … oder eure … ich weiß auch nicht, wie ihr das untereinander haltet. Eigentlich gehören sie ja Tokei-ihto, wenn der noch einmal lebend über den Strom kommt. Und wenn nicht? Wer ist sein Erbe? Er hat großes Vertrauen zu euch gehabt, daß er euch einfach sein Gold in den Beutel gesteckt hat. Es geht mich ja auch nichts an. Aber schließlich muß ich wissen, wer uns den Lohn zahlt. Von der Luft können wir armen Schlucker nicht leben.«
    »Ihr eßt doch mit uns. Ihr seid unsere Brüder.«
    »Es kann doch nicht einfach jeder essen …«
    »Warum nicht?« fragte Hapedah erstaunt.
    »Ihr seid aber ulkig, ihr kleinen Indsmen. Weil nicht jedem das Vieh gehört.«
    »Das Vieh gehört uns allen zusammen, den Söhnen der Großen Bärin und unseren Brüdern Thomas, Theo und Adams und unserer Schwester Cate.«
    »Du bist ein Kind, darum redest du wie ein Kind«, sagte Theo gerührt und ungläubig.
    »Nein«, mischte sich Ihasapa ein. »Hapedah Bärenknabe hat gesprochen wie ein Dakota.«
    »Wenn das mal gut geht«, murmelte Thomas.
    »Warum soll es nicht gut gehen?« rief Hapedah stolz.
    »Also – Ernst?« fragte Theo stockend. »Wir sollen auf unsere alten Tage noch Rancher werden mit euch zusammen?«
    »Ja, das sollt ihr«, erklärten Ihasapa, Tschaske und Hapedah wie aus einem Mund. »So würde es auch Tokei- ihtos Wille sein. Wir bitten euch, uns zu helfen. Selbst können wir mit diesen gefleckten Büffeln nichts anfangen. Wir müßten sie töten und aufessen, und dann stehen wir wieder mit leeren Händen da.«
    Thomas und Theo brachten lange kein Wort mehr heraus. »Na, dann kommt mal«, sagte Thomas schließlich. »Dann will ich euch das Melken lehren. Das wird euch wohl schwerer fallen als das Viehtreiben, ihr kleinen roten Tausendsassa.«
    Einen einzigen Milchkübel hatten die Hirten dabei. Das Vieh wurde nicht um der Milch willen gezüchtet, sondern nur auf Fleisch und Häute. Gemolken wurde nur für die Nahrung der Hirten selbst.
    Interessiert schauten Hapedah und Tschaske zu, wie Thomas die Milch aus dem Euter einer schwanzschlagenden Kuh zog. Aber sie hielten sich die Nase zu, und als Thomas ihnen lachend zu trinken gab, spien sie das ungewohnte Getränk schnell wieder aus.
    »Das mögt ihr nicht? Na hört mal! Wo bleibt denn eure indianische Selbstbeherrschung?!«
    Tschaske und Hapedah rissen sich zusammen und schluckten krampfhaft. Sie fanden, daß Milch abscheulich roch und ebenso scheußlich schmeckte. Aber sie würgten sie hinunter. Heimlich schlichen sie sich dann beiseite und erbrachen sich. Das neue Leben war nicht einfach!
    Aber sie wollten tapfer bleiben.
    Als die Jungen sich in ihre Decken wickelten, um zu schlafen, bis die Zeit ihrer Nachtwache kam, sprach Theo sie noch einmal an. »Ich kann damit nicht fertig werden«, sagte er. »Soll auch Adams ganz gewiß mit euch Rancher sein?«
    »Ja.«
    Theo fuhr sich über die Augen. »Der Adams! Da habt ihr den besten Mann, den ihr finden konntet, ihr Bärensöhne! Er wird nicht als Bettler zu euch kommen. Nach dem Heimstättengesetz kann er Land auch für sich erhalten.«
    Die Jungen sanken in Schlaf. Wenn nur Tokei-ihto am Leben blieb, damit sie ihm eines Tages alles berichten konnten!
    Die Nacht verlief friedlich und ruhig. Am sonnigen Morgen wurde das Vieh langsam zu den Waldbergen weitergetrieben. Hapedah und Tschaske hielten sich dabei immer eng zu Thomas und Theo. Sie wurden nicht müde, sich erzählen zu lassen, wie ihr Häuptling Tokei-ihto, als er selbst noch ein Knabe und so alt wie Hapedah und Tschaske gewesen war, Thomas beschlichen und überlistet hatte. Sie erfuhren, daß Thomas und Theo damals als Fallensteller in den Jagdgründen der Siksikau gearbeitet

Weitere Kostenlose Bücher